Luca's Rezepte
mit uns. So was...«
»Du hättest nicht einfach abhauen sollen«, wich ich aus.
»Aber ich habe... ich habe gedacht...«
»Es ist alles okay, du bist kein Idiot«, erfüllte ich ihm seinen Wunsch, »Sieh mich an. Bitte...«
Langsam hob Shiro seinen Blick, und ich erkannte ein unsicheres Flackern in seinen Augen, so, als ob er bereit wäre, sich sofort wieder zurückzuziehen.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich noch einmal.
Er lächelte matt und nickte. »Sicher... Klar...«
Ich saß auf meinem Stuhl, trank Wein und schwieg. Es war so leicht, jetzt das Falsche zu sagen, da war ich sicher. Shiro hatte die Beine angewinkelt und drehte das fast leere Glas in seinen Händen.
»Ich war mir so sicher...«, sagte er irgendwann leise, wie zu sich selbst. »Ich war mir so sicher...«
Schließlich hob er seinen Kopf und sah mich fragend an. »...Liege ich wirklich so falsch, Luca?«
Ich antwortete nicht, aber ich versuchte mit meinen Augen Kontakt zu ihm aufzunehmen, ihm zu signalisieren, wie verunsichert, wie verwirrt ich war, vor allem aber auch wie hilflos. Ich wollte nicht sprechen, ich wollte, dass er es so begriff.
Eine Weile saßen wir nur so da, sahen uns gegenseitig in die Augen.
Doch irgendwann spürte ich Befangenheit und wich seinem Blick einfach aus.
Shiro stand auf, strich mir im Gehen kurz über die Schulter, verließ mit einem traurigen Lächeln mein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
»...Gib mir Zeit...«, sagte ich leise in den leeren Raum, während ich mich auf meinem Bett zusammenrollte.
Wir konnten gut zusammenarbeiten, die folgenden Wochen. Sowohl die Vorbereitungen als auch das Bearbeiten der Bestellungen lief reibungslos, Hand in Hand. Und Shiro erwies sich als ein wirklich guter Koch.
Aber wir trafen uns nicht mehr. Shiro zog sich zurück, und ich tat es ihm nach. Es war vorbei mit gemeinsamen Strandausflügen und Touren nach Montefelcino oder Ancona. Der Umgang miteinander war jedoch weiterhin freundlich. Wir hatten es geschafft, eine eigenartige Distanz zueinander aufzubauen, mit der wir beide irgendwie zurechtkamen.
Unser Umfeld schien die Veränderung nicht zu bemerken, von Lorenzo einmal abgesehen. Aber gerade mit ihm hatte ich nun überhaupt keine Lust, darüber zu reden. Ich ging ihm nach wie vor aus dem Weg.
Mein Problem bestand darin, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Jedes Mal, wenn ich Shiro sah, versetzte es mir einen Stich. Nicht anders war es, wenn ich an ihn dachte. Und ich dachte viel an ihn. Eigentlich unentwegt. Ich wünschte mir so sehr, dass wir wieder Zeit miteinander verbringen könnten und - was dazu kam: ich wünschte mir seine Nähe.
Das war neu, war gewachsen, seitdem ich für mich erkannt hatte, dass er mir viel mehr bedeutete als ein Freund.
Nur sprechen konnte ich mit ihm nicht darüber. Es war wohl einfach die Angst vor der Konsequenz. Es ging einfach nicht.
Nacht für Nacht lag ich wach, in meinem Zimmer, konnte nicht schlafen, stellte mir immer wieder vor, was wohl passieren würde, wenn ich einfach nur die paar Treppen zu ihm hinaufstiege und dann...
Ja - was dann?
Die Vorstellung war schön, sehr schön, soweit ich überhaupt eine Vorstellung hatte, aber sie war vor allem auch fremd.
Und dieses Fremde hielt mich eben Nacht für Nacht in meinem Bett und verhinderte, dass all meine Sehnsucht, meine Neugier oder meine Fantasie zum Zuge kam. Es verhinderte auch, dass ich mit Shiro darüber sprach oder zumindest Andeutungen machte.
Ich harrte einfach aus, hielt still und rührte mich nicht.
Bis zum Tag von Gesina Pettonis Ankunft.
Manchmal sind es banale Zufälle, die einfachsten Gegebenheiten, die einen Stein ins Rollen bringen können. In diesem Falle war es der, als belanglos einzustufende, Besuch einer Cousine meiner Mutter.
Gesina Pettoni genoss es, zu uns zu kommen, und da sie sich in der Regel nützlich machte, fiel sie auch niemandem zur Last. Ganz im Gegenteil. Wir alle mochten sie. Sie hatte einen guten Humor und das, was man gesunden Menschenverstand nannte, gepaart mit Altersweisheit. So beschrieb es Valentina jedenfalls immer.
Als strenge Katholikin, die sie war, trug sie voraussichtlich bis zum jüngsten Tage schwarz, denn ihr Filippo hatte einst, bei der Feldarbeit, das Zeitliche gesegnet. Sie zumindest nannte das so - tatsächlich war er schlicht nach einer drei Tage andauernden Sauftour auf dem Melonen-Acker hinter seinem Haus umgekippt und nicht wieder aufgestanden.
Auf dem Feld gefallen -
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