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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Lebens fußten grundsätzlich in ihrem Glauben und den damit existierenden Regeln. Da hatte ich also keine Chance, das war mir klar.
    Nahm ich meinen Vater, so hing alles davon ab, wie er selbst es bewertete. Seine höchste Instanz war er selbst. Wenn er etwas für gut befand, war es in Ordnung, wenn nicht... tja, dann halfen auch keine noch so gut vorgebrachten Argumente. Das hatte ich oft genug erlebt.
    Rebecca konnte zuhören. Und Rebecca dachte nach. Sie war jene in der Familie, die abwägte, Argumente verglich und sich erst dann ein Urteil bildete. Tomaso und Lorenzo klammerte ich in meinen Überlegungen sofort aus, vor allem Lorenzo. Blieb noch Matteo. Mit der Kirche hatte er nichts am Hut. Er war Kommunist und Freidenker. So bezeichnete er sich selbst. Aber so ganz unähnlich war er Antonio auch wieder nicht. Er hatte es nur nicht mehr nötig, seine Autorität nach außen zu tragen. Das überließ er anderen. Nichtsdestotrotz hatte er sie, und wenn er es für richtig hielt, setzte er sie auch durch.
    Rebecca also! Ihre Herangehensweise war mir zunächst mal die sympathischste.
    War ja im Grunde auch logisch, da ich da mit dem geringsten Widerstand rechnen konnte. Klar gefiel mir das.
    Und Shiro? Hatte er eine Idee von Moral? Hatte ich die? Es war an der Zeit, mit ihm darüber zu sprechen.
     
    »Ob ich eine Moral habe?«
    Shiro sah mich entgeistert an. »Ja, was glaubst du denn? Was ist das für eine bescheuerte Frage?«
    Das fiel mir in diesem Moment auch auf, und ich versuchte die Situation mit einem lahmen 'So war's nicht gemeint' zu retten.
    »Ja, wie denn dann? Mann, Luca, was denkst du über mich?« Er war außer sich. »Was willst du wissen? Wie ich zu Vater und Mutter stehe? Das weißt du! Was ich von Gewalt halte? Rein gar nichts! Ob ich ein Gewissen habe? Ja, das habe ich! Was also willst du wissen?«
    Ich wäre am liebsten im Boden versunken.
    »Ich... es tut mir leid. Ich war nur... Das mit uns...«
    »Aahh, das mit uns!« Ich sah, wie er begriff und ich stellte erleichtert fest, dass er sich zumindest etwas beruhigte. »Das mit uns meinst du, ich verstehe. Was mit uns denn genau?«  
    »Naja, alles eben...«
    »Alles eben! Aha. Gut, fangen wir doch mal an. Ist es unmoralisch, dass wir uns lieben? Findest du das?«
    »Nein, natürlich nicht!«, versicherte ich rasch und erntete dafür ein Nicken.
    »Der Sex. Ist das unmoralisch? Tun wir irgend was Schlechtes? Verletzen wir jemanden damit? Übergehen wir jemanden? Nehmen wir irgend jemandem was weg?«
    »Nein, aber...«
    »Aber?«
    »Ist es richtig?«
    »Ob es richtig ist? Sehen wir mal. Wir sind zärtlich zueinander? Was sagt die Moral?«
    »Das... das ist okay.«
    »Der Sex. Hast du dich irgendwie schlecht dabei gefühlt?«
    »Schlecht nicht... Schuldig vielleicht.«
    Wieder dieses Nicken, jetzt etwas weicher, verständiger. »Aber du hast niemandem etwas getan, Luca. Du hast was für dich getan, was für mich. Etwas Wunderschönes. Und du hast niemanden verletzt. Warum also Schuld?«
    »Ich... ich weiß es nicht.«
    »Ich glaube, ich weiß es.«
    »Ja?«
    »Du sprichst von Moral. Aber die Moral, von der du sprichst, ist nicht deine. Du redest von irgendeiner Moral, einer, die andere für dich ausgesucht haben. Aber die hat nichts mit dir zu tun.« Er trank einen Schluck Wasser und sah mich lange an, bevor er weiter sprach. »Du musst auf dein Inneres schauen und dir deine eigene Moral schaffen. Und zu der musst du dann auch stehen.«
    Seine Worte taten gut, waren so klar, irgendwie richtig für mich, und ich erkannte, dass er Recht hatte mit dem, was er sagte. Es war, als hätte er eine Tür in meinem Inneren geöffnet, durch die ich nur noch zu gehen brauchte.
    »Woher weißt du das alles?«
    Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Weil ich irgendwann mal an genau demselben Punkt war wie du jetzt. Und weil ich einfach nicht an Schuld glauben kann und will. Das ist der größte Scheiß, der größte Mist überhaupt, denn Schuld nimmt uns Freiheit. Und das ist einfach falsch.«
     
    Die kommenden Tage waren arbeitsreiche Tage. Wir hatten drei Feiern auszurichten und dabei zu allem Überfluss Ärger mit unserem wichtigsten Ofen. Die Temperatur schwankte laufend, also konnte man mit ihm nicht arbeiten. Der Mann vom Gastro-Service, bei dem wir unter Vertrag waren, eröffnete uns, dass er das benötigte Ersatzteil erst bestellen müsse und - nein - ein Leihgerät könne er uns so kurzfristig leider nicht zur Verfügung stellen, da bäte er

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