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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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ließ.
    Ich sah fest in die Augen von Lorenzo, und er in die meinen. In diesem Moment bestand kein Zweifel mehr. Ich wusste, dass er wusste.
    »Danke...«, sagte ich, ohne meinen Blick abzuwenden. »Es ist wirklich sehr schön.«
    Er lächelte. »Ich war mir sicher, dass es dir gefällt.«
    Mein Blick wanderte zu Shiro, und auch er starrte fassungslos auf das, was da auf dem Tisch lag.
    Aber wir drei schienen die einzigen zu sein, die erkannten, was er da abgebildet hatte. Das Bild wurde herumgereicht und alle lobten begeistert die hohe künstlerische Qualität - die zweifellos vorhanden war - ohne das Offensichtliche tatsächlich zu erkennen.
    Wir hatten ein Problem.
     
    »Und nun?«
    »Keine Ahnung...«
    »Es ist wirklich schön.«
    »Es ist traumhaft... aber was machen wir jetzt?«
    »Es aufhängen!«, schlug Shiro vor und versuchte ein Lächeln.
    »Es aufhängen?«
    »Ja. Und zwar genau übers Bett!«
    »Bist du verrückt?«
    »Nein, gib her...« Er nahm das Bild, stieg auf die Matratze und hielt es an die Wand. »Sieht doch super aus, oder?«
    »Nimm es da weg!«
    »Warum?«
    »Weil... weil ich das Gefühl habe, er sieht uns zu. Das Bild ist - Er . Verstehst du?«  
    Er nickte. »Schon klar. Aber meinst du nicht, dass es genau das ist, was er damit erreichen will?«
    »Na, dann hat er's geschafft!«
    »Ja, aber wenn er es weiß, warum rennt er dann nicht zu Antonio oder Valentina und redet?«
    Darauf wusste ich keine Antwort.
    »Weil er Spielchen spielt, darum!« Er sprang vom Bett, »Und das können wir auch!«
    Wir hängten das Bild genau mittig über das Kopfende.
    Und dann begannen wir zu überlegen, was zu tun war.
     
    Eigentlich hatte ich mich mit Lorenzo immer gut verstanden. Sehr gut sogar. Wir hatten zwar nie viel Zeit miteinander verbracht, aber in meiner Erinnerung war da ein Bruder, der mich anlachte, der freundlich zu mir war und der mich auch in Schutz nahm, wenn es sein musste. Er hatte nicht die ruppig-laute Macho-Art von Tomaso, sondern war meist still und nachdenklich. Da glich er eher unserer Mutter. Um so mehr war ich überrascht, dass er sich so verändert hatte.
    Aber sein Vorgehen passte auch zu ihm. Dieses subtile, von hinten herum. Ob er damit gerechnet hatte, dass die Präsentation seines Bildes unserer Familie die Augen öffnen würde? Wir wussten es nicht. Aber es erschien uns wahrscheinlich. Und so mussten wir damit rechnen, dass weitere Attacken folgen würden, und dies mussten wir irgendwie verhindern.
    »Ich rede mit ihm«, schlug ich vor. »Ich frag ihn einfach, was das Ganze soll.«
    »Und dann? Vermutlich wird er dir sagen, dass er dir nur eine Freude machen wollte. Was dann?«
    So würde es vermutlich laufen.
    Shiro zögerte einen Moment, dann nickte er wie zu sich selbst.
    »Und wenn wir ihm ganz direkt sagen, was Sache ist?«
    Ich sah ihn groß an.
    »Ja! Stell dir vor, wir gehen zu ihm und sagen ihm: Hey, du ahnst es ja sicher schon, und hey, du hast Recht. Wir tun’s miteinander. Und wir sind verdammt glücklich damit. Wie findest du das?«
    »Bist du irre?«
    »Aber was würde passieren? Rennt er los und petzt? Das ist doch nicht seine Art, oder? Außerdem hätte er es dann schon längst getan. Was kann also passieren?«
    »Irgendetwas, womit wir überhaupt nicht rechnen...«
    »Möglich, aber wahrscheinlich?«
    Mir gefiel nicht, worauf das hinauslief. »Er wäre überrumpelt...«
    »Genau!«
    »Und dann?«
    »Er würde bestimmt nicht losrennen und uns verraten. Das wäre zu billig. Außerdem weiß er es doch längst...« Er zeigte auf das Foto über'm Bett.
    Das stimmte natürlich.
    »Trotzdem. Es muss noch einen anderen Weg geben...«
    Und so überlegten wir weiter.
     
    In der kommenden Nacht fand ich keinen Schlaf. Shiro lag neben mir und atmete ruhig. Ich beneidete ihn darum. Dunkelheit und Ruhe, die mich umgaben, ließen die Zeit endlos erscheinen. Sie verging einfach nicht, und meine Gedanken sperrten sich gegen meine Müdigkeit.
    Zuvor hatten wir noch ewig hin und her überlegt, welche Möglichkeiten wir hatten, waren aber zu keinem Ergebnis gekommen...
    Und dann, viel später, gab mir Shiro noch sein Geburtstagsgeschenk. Es war ein kleiner, geschnitzter Tiger aus dunklem Holz. Er hatte ihn in ein rotes Tuch gewickelt, das durch ein grünes Samtband zusammengehalten wurde.
    »Ich habe ihn von meiner Mutter bekommen. Im Horoskop bin ich Tiger, weißt du...«
    Ich fand ihn wunderschön. »Und den willst du einfach so weggeben?«
    »Ich geb ihn ja nicht weg, ich

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