Lucas
um meinen Hals, dass ich kaum atmen konnte. Ich versuchte ihm zu sagen, er solle seinen Griff lockern, aber das Einzige, was ich herausbrachte, war ein heiseres Piepsen. Dann rührte er sich wieder und zog mich mit einem seltsamen Grunzlaut hinüber zu dem zerbrochenen Pfosten des Tors. Sein Griff wurde fester, plötzlich spürte ich eine Bewegung hinter mir, dann hörte ich das hohle Krachen von berstendem Glas.
Das Nächste, was ich mitbekam, war, dass er mir die zerbrochene Flasche gegen das Gesicht drückte.
Seine Hand zitterte und ich spürte, wie die scharfen Glaszacken meine Wange berührten. Ich wusste, wenn ich hinsah,würde ich wahrscheinlich vor Angst sterben, also hielt ich den Kopf still und konzentrierte mich auf Lucas. Er kam auf uns zu, er ging den Weg mit der gleichen urzeitlichen Entschlossenheit wie vorher – die Augen fixiert, der Gesichtsausdruck entschieden, der Körper bereit zur Tat.
Schweiß tropfte mir in die Augen.
Ich roch den Whiskey aus der zerbrochenen Flasche.
Als Lucas herankam, zog mich Jamie vom Tor weg in die Mitte des Wegs. Sein Atem ging hart und schnell, als bekäme er keine Luft in die Lunge, und seine Haut war schweißnass. Sie roch sauer.
Lucas hatte uns jetzt fast erreicht.
Jamie hielt mich noch fester. Ich spürte, wie die zerbrochene Flasche gegen meine Haut drückte, dann krächzte seine Stimme in meinem Ohr. »Nicht weiter«, warnte er Lucas. »Noch einen Schritt und ich schneid ihr das Gesicht kaputt.«
Lucas wurde langsamer und blieb stehen. Er war noch ungefähr einen Meter entfernt. Er sagte nichts. Er schaute mich nicht einmal an. Er hielt seinen Blick weiter auf Jamie gerichtet, während er hinter sich griff und ein Messer zückte. Das Sonnenlicht funkelte auf der gefährlich wirkenden Klinge. Es war das Messer, das ich in seiner Höhle an der Wand hatte hängen sehen.
Jamie erstarrte und sein Arm legte sich noch ein Stück enger um meinen Hals.
»Lass es fallen«, sagte er. »Lass es fallen oder ich schlitz dem Miststück das Gesicht auf.«
»Und dann?«
Jamie zögerte. »Du glaubst, ich bluffe?«
Lucas zuckte die Schultern. »Das ist mir eigentlich egal. Ich stech sowieso zu.« Er hob das Messer hoch und hielt es ganz locker waagrecht in seiner Hand.
Jamie zitterte jetzt. Es verschlug ihm den Atem, als er sprach. »Hör zu . . . wenn mir irgendwas passiert . . .«
»Willst du leben?«
»Was?«
Lucas trat noch etwas näher, hob sein Messer und richtete es auf Jamies Augen. Es war keine drei Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Lucas hatte mich noch immer nicht angesehen. Sein Gesicht war leer und kalt, ohne jedes Gefühl. Er sprach leise. »Lass die Flasche los oder ich stech dir die Augen aus.«
»Das würdest du nie –«
»Los.« Das Messer schob sich an mir vorbei. »Mach schon.«
Die nächsten paar Sekunden dauerten ewig. Niemand sprach. Die Hitze war drückend und die Luft schwer von dem Geruch nach Geißblatt und Schweiß. Die Umgebung existierte nicht mehr. Das Einzige, was ich sah, war Lucas. Seine Hand, die das Messer mit dem Hirschhorngriff umfasste. Sein Gesicht, seine Augen, die Poren seiner Haut. Totenstille lag über dem Weg, nur von Jamies entsetztem Atmen durchbrochen. Er wusste so gut wie ich, dass Lucas meinte, was er sagte. Es war keine Drohung, sondern eine Tatsache. Ganz schlicht und einfach. Wenn er die Flasche nicht fallen und mich losließ, würde Lucas zustechen. Jamie hatte nur eine Chance und schließlich nahm er sie wahr. Mit einem leisen,seltsam wimmernden Laut löste er den Griff um meinen Hals und trat zurück. Sekunden danach hörte ich, wie die zerbrochene Flasche zu Boden fiel. Ich spürte meine Knie weich werden und einen Augenblick glaubte ich, ich würde hinfallen, aber dann fing ich mich wieder. Lucas hatte keinen Muskel gerührt. Noch immer hatte er das Messer in der Hand, noch immer starrte er Jamie an.
»Bist du verletzt?«, fragte er mich.
»Ich glaub nicht.«
»Komm her.«
Ich trat auf ihn zu.
Er sagte: »Geh aus dem Weg.«
»Was –«
»Stell dich hinter mich. Los.«
Ich trat zur Seite und stellte mich hinter ihn. Als ich mich umdrehte, sah ich Jamie direkt vor uns. Sein Gesicht sah bleich und abgespannt aus, er zitterte von Kopf bis Fuß und seine Augen waren weiß vor Angst. Es ist vielleicht schwer zu glauben, aber ich hatte fast Mitleid mit ihm.
Lucas war nicht so mitfühlend.
In dem Moment, als ich aus dem Weg und in Sicherheit war, senkte sich seine Hand mit dem Messer und
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