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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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finden.«
    »Und wo?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Als ich merkte, dass du das Mädchen aus Lucians Traum warst, dachte ich, er wäre hier. Aber das war idiotisch. Wenn diese Situationen in der Wirklichkeit passierten, war ich jedes Mal allein. So wie jetzt. Ich war immer allein. Und du kennst keinen Lucian, stimmt’s?«
    »Leider nicht.« Faye blickte mich aus ihren grauen Augen an. Ihr Gesicht hatte sich verändert, auch ihre Stimme klang anders. »Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte sie. Sie wartete meine Antwort nicht ab. »Hör auf zu jammern. Hör auf, darüber nachzudenken, wie du dich fühlst. Wenn du Lucian finden willst, musst du ihn suchen. Und wenn du ihn suchen willst, dann musst du zuerst dein Leben in den Griff bekommen.«
    Ich legte meine Hand um den Anhänger von Dad, die kleine Sonne mit der Inschrift Carpe diem. Plötzlich brannte er auf meiner Haut. Ich sah an Fayes Augen vorbei in den Himmel. Ein Schwarm Möwen flog über meinen Kopf, auch ein paar Raben waren dabei.
    Hinter mir ertönten Trommeln, jetzt hörte ich auch wieder andereGeräusche. Die anrollende Brandung, das Dröhnen eines Flugzeuges hoch über uns, das Lachen eines Kindes, einen bellenden Hund, eine singende Frau.
    Ich drehte mich um. Die Häuser am Strand, die ganze Promenade war jetzt in dieses mystische klare Licht getaucht. Dahinter lag wie im Nebel die Stadt.
    »Vielleicht hast du recht«, sagte ich zu Faye.
    »Vielleicht«, sagte sie. »Und vielleicht auch nicht. Fest steht, dass du schleunigst auf die Beine kommen solltest. Seelisch, meine ich.« Faye lächelte. »Weißt du eigentlich, dass deine kleine Auszeit ziemlich am Hausfrieden gerüttelt hat?«
    Ich senkte den Kopf. Shit. Ja, das konnte ich mir vorstellen. Michelle wäre wahrscheinlich schon unter normalen Umständen nicht gerade begeistert über meinen Besuch gewesen.
    Ich dachte an Suses Mails mit dem Profikiller und plötzlich verzog sich auch mein Mund zu einem Grinsen.
    »Was amüsiert dich?«, wollte Faye wissen.
    »Meine Stiefmutter«, entgegnete ich. »Jetzt hat sie wenigstens einen echten Grund, mich nicht zu mögen.«
    Faye wurde ernst. »Gib dir Mühe«, sagte sie. »Je mehr sie dir vertrauen, desto mehr Freiheit werden sie dir geben. Mach den beiden klar, dass du zur Schule willst. Am besten so bald wie möglich. Wenn du den ganzen Tag rumsitzt, denkst du dir nur ein Loch in den Kopf.«
    Jetzt musste ich lachen.
    »Haben sie schon Schulen für dich angesehen?« Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Val geht auf eine Privatschule«, sagte Faye und krauste die Nase. »Die haben hier einen besseren Ruf als die öffentlichen. Aber sie haben lange Wartelisten und die Aufnahmetests schützen auch nicht gerade deine Privatsphäre. Sie wollen alles über dich wissen, deineFamilie, deine Erziehung, warum du nach Amerika gekommen bist . . .«
    Faye musterte mich, als wollte sie sehen, welche Wirkung ihre Worte auf mich hatten. Das mit den Aufnahmetests, vor allem den persönlichen Fragen, klang jedenfalls ziemlich gruselig.
    »Außerdem gibt es öffentliche Schulen, die mindestens genauso gut sind«, fuhr sie fort. »Die Pali High zum Beispiel.«
    Ich malte kleine Kreise in den Sand. »Das ist alles noch ziemlich viel für mich«, gab ich zu. »Auf welche Schule gehst du denn?« Ich drehte mich zu Faye. »Und wie alt bist du eigentlich? Wo wohnst du? Ich weiß überhaupt nichts von dir.«
    Es überraschte mich selbst, woher mein plötzliches Interesse kam. Die Fragen, die ich Faye gerade gestellt hatte, waren ernst gemeint. Es interessierte mich wirklich, wer sie war und was für ein Leben sie führte. Es machte mir fast ein schlechtes Gewissen, dass ein völlig fremder Mensch in so kurzer Zeit mehr Gefühle aus mir herausgelockt hatte als meine besten Freunde, die ich schon so viele Jahre kannte und die vor Sorge um mich fast verrückt geworden waren.
    Am Horizont färbte sich der Himmel in einem unwirklich leuchtenden Orange. An den Rändern wurden die Farben blasser, fast pastellig.
    Faye stand auf. »Komm«, sagte sie. »Zeit, dass wir wieder zurückfahren.«

DREIUNDZWANZIG
    Als Faye den Bentley in unserer Auffahrt parkte, flog die Haustür auf. Herausgelaufen kam Val. Sie trug einen schwarz-gelb gestreiften Badeanzug und darüber eine schwarze Smokingjacke, die der Größe nach wahrscheinlich Dad gehörte. Ihr Aufzug erinnerte mich an eine Kreuzung zwischen Biene Maja und Batman, während ihr Gesicht übersät war von blauen Punkten,

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