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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Place.
    Michelle war hilfsbereit und ausgesprochen effizient und ich musste unwillkürlich daran denken, dass sie in diesem Punkt meiner Mutter ähnlich war. In einer knappen halben Stunde hatten wir sämtliche Schreibunterlagen beisammen. Die Bücher bestellten wir in einem großen Buchladen, in dem Michelle die Verkäuferin mit »Hi Sweetie«, Küsschen rechts und Küsschen links begrüßte, mich als Alecs große Tochter vorstellte und dann ausführlich die Frage nach ihrem kleinen Engel Valentine beantwortete.
    »Sie hat sich wunderbar eingelebt in der Schule. Sie liebt Zeichnen und Schreiben. Alec und ich möchten sie gerne für eine private Malschule anmelden. Es ist wirklich unglaublich aufregend, wie schnell unser kleines Baby groß wird.«
    »Und jetzt hat sie sogar ihre Schwester aus Deutschland hier.« Die Verkäuferin, die aussah wie ein Model, zeigte mir ihre strahlend weißen Zähne. »Wie gefällt es dir in Amerika?«
    »Gut«, murmelte ich und war froh, dass sich Michelle gleich darauf verabschiedete, wieder mit Küsschen rechts, Küsschen links.
    Danach kauften wir den Badeanzug. Michelle zeigte mir verschiedene Modelle, erzählte mir, dass sie früher auch Schwimmerin gewesen war, dass der Unterricht Spaß gemacht hätte und die Turniere spannend gewesen wären, und wartete geduldig, bis ich die Umkleidekabine mit einem passenden Badeanzug verlassen hatte. Der Grund, warum ich so lange in der Kabine blieb, war nicht der Badeanzug, sondern der Schock, mich im Spiegel gesehen zu haben. Ich war so dünn geworden, dass ich glatt in Sheilas Hosen passen würde.
    Am Schluss lud sie mich noch auf eine Tasse Latte macchiato in ein Restaurant namens Urth Café ein. Es war wahnsinnig voll und die Gäste waren fast ausschließlich hip, betont lässig gestylt. Am Tisch neben uns unterhielten sich zwei junge Männer angeregt über den Pilotfilm einer neuen Serie, sie hatten Michelle mit einem Lächeln gegrüßt.
    Während wir unsere Latte tranken, war die Aufmerksamkeit meiner Stiefmutter ganz auf mich gerichtet. Sie erkundigte sich interessiert, wie die Schulanmeldung gelaufen war, ob ich Lust hätte, noch ein paar andere Klamotten einzukaufen, wann und wie ich den Führerschein machen wollte und ob es irgendetwas anderes gäbe, das ich bräuchte.
    Ich verneinte.
    Als Michelle den Wagen vor der Garage des Hauses parkte, war es kurz vor sieben. Sie stellte den Motor aus.
    »Eines noch«, sagte sie und plötzlich wurde ihre Stimme so leise und schneidend, dass mir eine Gänsehaut über den Körper jagte.
    »Wenn du es wagst, weiter unser Leben zu zerstören oder einen schlechten Einfluss auf Val auszuüben, dann wirst du mich kennenlernen. Hast du mich verstanden?«
    Sie drehte sich zu mir und lächelte mich an.
    Mein Magen zog sich zusammen, als hätte mir gerade ein Ringkämpfer einen gezielten Faustschlag versetzt.
    Ich nickte.

FÜNFUNDZWANZIG
    Unsere Schwimmlehrerin Mrs Stratton hatte kurzes weißblondes Haar, ein grobes Gesicht und breite Schultern. Ihre Haut war von der Sonne gegerbt wie Leder.
    Der Pool lag im Freien, im hinteren Teil des Schulgeländes und war fast so groß wie die Alsterschwimmhalle. Die türkisfarbenen Kacheln ließen das Wasser noch kraftvoller leuchten, auf dem Grund sah man die dunkelblauen T-förmigen Bahnmarkierungen und der frisch gemähte Rasen, der den Pool säumte, hatte ein helles, fast blendendes Grün.
    Während meine Mitschülerinnen mich neugierig musterten, grüßte mich die Trainerin nur knapp, dann teilte sie uns in vier Fünfergruppen auf und ließ uns der Reihe nach am Beckenrand antreten. Ich gehörte zu den Ersten, das Wasser vor mir war noch unberührt. Spiegelglatt lag es da und wartete auf mich.
    Die Nacht war grauenvoll gewesen. Als ich das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, war es kurz nach halb vier gewesen, und als ich endlich eingeschlafen war, hatte mich sofort mein Albtraum überfallen.
    Beim Frühstück – Michelle war schon wach und hatte für Val und mich den Tisch gedeckt – brachte ich keinen Bissen herunter. Val aß ihre Cornflakes auf Michelles Schoß. Sie hatte einen Milchbart und kuschelte sich wie ein kleines Kätzchen an ihre Mutter. Ihre nackten Füße lagen auf der Tischplatte. Michelle zwickte ihr in den großen Zeh und bot mir mit einem freundlichen Lächeln an, mich an der Schule abzusetzen. Sie lag auf dem Weg zu Vals Grundschule. Im Autoradio sagte ein munterer Nachrichtensprecher einen strahlend schönen Tag voraus. Graupelschauer

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