Lucian
er. »Sobald du die Prüfung bestanden hast, müssen wir uns um einen Wagen für dich kümmern, damit du etwas unabhängiger wirst.«
Ich dachte an den Bentley, mit dem mich Faye gestern nach Venice Beach gefahren hatte, und fragte Dad, ob der Wagen ihm oder Michelle gehörte.
»Nein«, entgegnete er lachend. »Keine Ahnung, wo sie ihn herhat. Vielleicht hat sie reiche Eltern und sittet Val nur zum Vergnügen. Sie ist schwer in Ordnung, oder?«
Ich nickte. »Wie habt ihr sie gefunden?«
»Eigentlich hat sie uns gefunden«, sagte Dad und stellte den Motor ab. »Anfang Dezember stand sie vor der Tür und sagte, sie hätte gehört, dass wir ein Kindermädchen suchen würden. Was nicht stimmte. Val hatte eine Kinderfrau. Allerdings kam die überhaupt nicht mit ihr zurecht.« Dad grinste mich an. »Du bist nicht die Einzige, die in der letzten Zeit für Aufregung gesorgt hat. Zwei Tage bevor Faye vor der Tür stand, hatte Val ihre Nanny auf dem Klo eingesperrt. Die Ärmste hat den halben Nachmittag dort verbracht. Währenddessen hat sich Val im Pool das Schwimmen beigebracht. Michelle war völlig fertig mit den Nerven. Faye kam also genau richtig und Val hat sie vom ersten Augenblick an geliebt. Die letzte Zeit war auch für sie nicht so einfach. Sie war ziemlich verstört darüber, dass ihre große Schwester plötzlich da war – und mit niemandem sprechen wollte.«
Ich wich seinem Blick aus und nestelte an dem Saum meines Pullis. Ich hatte von alldem nicht das Geringste mitbekommen.
»Bist du bereit?«, fragte Dad.
Ich nickte und folgte ihm zum Eingang. Pacific Palisades Charter Highschool . Home of the Dolphin s. Links daneben war ein buntes Wandbild von Delfinen und auf die gegenüberliegende Mauer waren mit poppigen Farben Urwaldbäume gemalt, zwischen denen ein Tiger hervorlugte. Daneben stand: It can be a jungle out there . . . keep your Life Alcohol and Drug free.
Das Schulgelände war riesig. Es sah aus wie eines der Colleges aus den amerikanischen Spielfilmen – und tatsächlich war diese Schule, wie Dad mir erzählte, Schauplatz zahlreicher Filme gewesen. Neben den Halloweenfilmen, von denen Suse gemailt hatte, war hier auch der alte Streifen Grease gedreht worden, ebenso der Spielfilm Verrückt/Schön mit Kirsten Dunst.
Dad schien sämtliche Vorbehalte gegen öffentliche Highschools in den Wind geblasen zu haben. Er hakte mich unter und führte mich über den Schulhof. Ich warf einen Blick auf die Cafeteria, sah gepflegte Rasenflächen, die langen Gänge mit den Schließfächern, denDurchgang zum Freibad und uniformierte Wächter, die in kleinen Golfwagen über das Gelände patrouillierten. Prompt wurden wir angehalten und höflich, aber unmissverständlich aufgefordert, uns doch bitte auf direktem Wege in das Schulsekretariat zu begeben. Man bräuchte eine Befugnis, um sich auf dem Gelände aufzuhalten.
»So läuft es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, sagte Dad und stieß ein heiteres kleines Lachen aus. »Du brauchst für jedes Möglichkeitchen eine Befugnis. Selbst wenn du pinkeln willst, musst du dir von deinen Lehrern eine Genehmigung geben lassen. Aber keine Sorge, du wirst dich rasch daran gewöhnen.«
Wir durchquerten einen Flur, der aus unzähligen Büros bestand: einem Health Office, einem Magnet Office, einem Councelor’s Office, einem Human Resource Office, einem Head Office, einem News Office – in der ein Schüler über Lautsprecher die Events für den heutigen Tag bekannt gab – und schließlich dem Main Office, dem Sekretariat. Es war ein großer, rechteckiger Raum, dessen Einrichtung auf ein bewegtes Leben schließen ließ. Auf den abgenutzten Holztischen hinter dem hohen Empfangstresen standen betagte Computer, aus den Wänden quollen die Enden von Kabeln und auf den Regalflächen stapelten sich Akten. An den Wänden hingen Fotos der Lehrer und in einem großen Glasregal reihten sich Trophäen und Siegerurkunden aneinander. Broschüren für Suchtprävention, Antidrogen-Programme und Teens-helping-Teens-Hotlines lagen auf dem Tresen aus. Aber alles in allem war die Atmosphäre ein durchaus freundliches und einladendes Chaos.
Schüler wuselten herein und heraus, einige von ihnen musterten mich neugierig aus den Augenwinkeln und vom Tisch erhob sich jetzt eine stämmige, gut zwei Meter große Afroamerikanerin mit knallpink geschminkten Lippen und tiefen Grübchen in den prallen Wangen.
»Du musst Rebecca Wolff sein«, begrüßte sie mich mit donnernder Stimme und hielt
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