Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
Vom Netzwerk:
gleich.«
    Ich stand auf und machte mich auf die Suche nach Getränken, aber ich kam nicht weit. Ich mochte Flohmärkte, schon als kleines Kind hatten mich Janne und Spatz mitgenommen. Ewig konnte ich in altem Krimskrams stöbern, bis ich auf das Richtige stieß. Auch heute brachte ich es nicht über mich, an den anderen Ständen einfach vorbeizugehen, und mit jedem Schritt fühlte ich mich leichter.
    Hey Becks, dachte ich zufrieden. Willkommen zurück. Neben den üblichen Porzellanfiguren, Schnapsgläsern, alten Uhren und Antiquitäten gab es richtig coole Sachen auf dem Markt. An einem Stand mit lauter abgedrehtem US-Army-Zeugs entdeckte ich ein paar schwarze Springerstiefel mit aufgestickten Rosen und pinkfarbenen Schnürsenkeln. Sie passten wie angegossen, lagen aber leider eindeutig über meinem Budget, also gab ich sie seufzend zurück. Stattdessen erstand ich ein Filmplakat von Pulp Fiction, zwei CDs von Mando Diao und Lorelais schnurrenden Fellwecker aus den Gilmore Girls . Natürlich war es nicht der echte vom Set, aber der Typ, der ihn mir verkaufte, hatte ihn für seine Exfreundin nachgebaut. Ich überlegte, ob ich ihn Spatz schenken sollte, fand dann aber noch etwas Besseres für sie: eine Schallplatte von ihrer Lieblingssängerin Joan Armatrading, die mir die Besitzerin für drei Euro verkaufte.
    An einem anderen Stand entdeckte ich ein Handbuch für Maskenbildner. Es war das ideale Geschenk für Suse, die bald Geburtstag hatte. Sie beneidete mich wahnsinnig um meinen Dad und seine FrauMichelle, die beide im Filmgeschäft arbeiteten, und konnte nicht fassen, dass ich sie nicht in Los Angeles besuchte.
    Dad hatte in Santa Monica eine Werbefilmproduktion, während Michelle eine Agentur leitete, die persönliche Assistenten an Filmstars vermittelte.
    Ich sah meinen Vater in Deutschland, wo er mich drei oder vier Mal im Jahr besuchte, aber ich weigerte mich, meine Ferien bei ihm in Amerika zu verbringen. Der Grund dafür war Michelle, mit der Dad vor sieben Jahren nach Los Angelos gezogen war.
    Sollte ich jemals meine Meinung ändern, beschwor mich Suse immer wieder aufs Neue, müsste ich sie mitnehmen. Im Gegenzug hatte Suse mir versprechen müssen, dass sie den Beruf von Dads Frau nicht an die große Glocke hing. Darüber ausgefragt zu werden, war für mich die reinste Horrorvorstellung.
    »Fünfzehn Euro«, sagte die junge Frau, als ich sie fragte, was sie für das Handbuch haben wollte. Ich fand den Preis für das Handbuch ziemlich üppig, aber die Frau ließ sich nicht runterhandeln und das Buch schien gut zu sein.
    Es gab Anleitungsfotos für Wunden, eklige Auswüchse und alle möglichen Horrormasken. Also legte ich die fünfzehn Euro auf den Tisch und wollte das Buch gerade in meine Tasche stecken, als ich eine heisere Stimme hörte.
    »Du hast was verloren.«
    Die Stimme war irgendwo links neben meinem Ohr und ich erkannte sie sofort.
    Kein Zufall, schrie es in mir. Kein Zufall.
    Ich drehte mich um, sehr langsam.
    Hinter mir stand der Fremde. Auf seiner ausgestreckten Handfläche lag mein roter iPod shuffle, der bis eben noch an meiner Jacke geklemmt hatte. Ich brachte kein Wort über die Lippen. Als ich nachdem iPod griff, zitterten meine Finger. Irgendetwas an der Handfläche des Jungen kam mir eigenartig vor. Aber er hatte seine Finger schon zurückgezogen.
    Ich umschloss meinen iPod. Ich spürte das Klopfen meines Pulses, aber in meiner Brust war wieder dieses andere Gefühl, das so schwer zu beschreiben war. Etwas in mir kam zur Ruhe, obwohl die Worte wie in einem Wirbelsturm durch meinen Kopf fegten.
    Der fremde Junge sagte nichts, er sah mich nur an. Er hatte in etwa meine Größe, sodass wir auf derselben Augenhöhe waren. Wieder nahm ich diese fiebrige Elektrizität wahr, die von ihm ausging. Sein katzenhafter Körper wirkte, als würde er viel laufen, als wäre Bewegung an der frischen Luft für ihn eine Selbstverständlichkeit. Irgendwie roch er auch nach Luft, nach Wind und getrocknetem Regen.
    Diesmal trug er eine schwarze Lederjacke – ein punkiges Teil mit silbernen Schnallen und diversen Stickern – und eine passende Jeans hatte er sich offensichtlich auch zugelegt. Seine Füße steckten in dunklen Docs. Sein dichtes schwarzes Haar fiel ihm auf eine Weise in die Stirn, die ihn (um mit den Worten der rothaarigen Kellnerin aus dem Lampenladen zu sprechen) nicht irgendwie, sondern unverschämt sexy aussehen ließ.
    Wir standen direkt voreinander. Seine Augen hatten ein dunkles, fast

Weitere Kostenlose Bücher