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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Knie.
    Schweigend sahen wir zu, wie das Feuer herunterbrannte. Es war kühl geworden. Von rechts kam ein Schiff auf uns zu. Es war ein Frachter, groß und dunkel. Langsam schob er sich über den dunklen Fluss.
    »Gibt es denn nichts, woran du dich erinnerst?«, fragte ich leise. Und dann, als ich keine Antwort bekam: »Dinge, die du magst? Musik? Bücher? Irgendetwas?«
    Der Frachter kam näher. Er spülte Wellen ans Ufer und ein kalter Wind fuhr durch mein Haar.
    »Und plötzlich war da ein Schiff«, hörte ich Lucian sagen. Seine Stimme klang zögernd. »Es war nur für Max und er segelte davon, Tag und Nacht und wochenlang und fast ein ganzes Jahr, bis zu dem Ort, an dem die wilden Kerle wohnen. Und als er dort ankam . . .«
    »Hör auf«, presste ich hervor. »Hör auf damit.«
    »Wieso?« Ruhig sah Lucian mich an. »Du hast mich nach Büchern gefragt, die ich mag. Das hier ist eins. Ich habe es vor ein paar Tagen in einer Buchhandlung entdeckt. Es heißt . . .«
    » . . . Wo die wilden Kerle wohnen«, brachte ich seinen Satz zu Ende. »Ich kenne dieses Buch. Es war mein Lieblingsbuch als Kind.«
    »Na siehst du. Dann haben wir etwas gemeinsam.« Er lächelte und die Aufregung vibrierte in meinem ganzen Körper.
    Ich fragte: »Und was magst du noch?«
    Lucian hob seine Hand. Er fuhr mir über die Wange, mit einer so zarten Bewegung, dass ich meine winzigen Härchen an seiner Fingerspitze fühlte.
    »Dich«, sagte er sanft. »Ich mag dich. Wenn du in meiner Nähe bist, geht es mir gut.«
    Der Frachter war an uns vorbeigezogen. Ich blickte ihm nach, wie er den dunklen Fluss stromaufwärts Richtung Meer fuhr.
    Als ich Lucian wieder ansah, lag ein ironisches Lächeln auf seinem Gesicht. »Du wirst verlangt«, sagte er.
    »Was?«
    »Dein Telefon.«
    Verstört griff ich in meine Tasche. Tatsächlich, mein Handy klingelte. Total laut. Ich hatte es überhaupt nicht wahrgenommen. Ich zog es hervor und starrte auf das blinkende Display. Janne ruft an. Oh verdammt! Ich drückte den Anruf weg und dann sah ich erschrocken auf die Uhrzeit. Es war halb drei. Scheiße, Scheiße, Scheiße!
    Dann hörte ich die Stimmen. Sie waren ziemlich weit entfernt, aber sie riefen meinen Namen. Ich erkannte Sebastian. Suse. Und . . . Janne! Ihre Stimme war schrill, voller Panik, selbst aus dieser Entfernung.
    »Ich muss weg«, flüsterte ich, sprang auf – und griff nach Lucians Hand. Sie war glatt und weich wie Seide und sie gab mir Halt.
    Wenn du in meiner Nähe bist, geht es mir gut.
    Diesmal hörte ich ihn das nicht sagen, ich spürte es, tief in meinem Innern.
    »Ich will dich wiedersehen«, brachte ich hervor. »Ich muss dich wiedersehen. Unbedingt. Wann? Wo?«
    Die Stimmen kamen näher, jemand schluchzte, das Wort Polizei fiel.
    Lucian zuckte zurück. Mit einem Mal sah er aus wie ein wildes Tier auf dem Sprung. »Es ist nicht gut, wenn man uns zusammen sieht«, sagte er hastig. »Gar nicht gut.«
    Die Stimmen kamen noch näher. Lucian entzog mir seine Handund im selben Moment spürte ich, wie mir kalt wurde. Auch das hohle Gefühl in meiner Brust war wieder da, schmerzhaft wie eine offene Wunde. Ich schaute Lucian in die Augen. Sein Gesicht war jetzt wirklich wie ein Spiegel. Ich las meine eigenen Empfindungen in ihm.
    »Halloween«, sagte ich hastig. »Es gibt einen Ball. Einen Maskenball. Der Club heißt Uebel und Gefährlich, er ist in der vierten Etage des großen Bunkers, direkt beim Hamburger Dom. Bitte komm!«
    Die Rufe waren jetzt dicht an meinem Ohr, sie klangen entsetzt und panisch.
    Lucian hob die Hand und strich mir noch einmal über die Wange. »Sie sind gleich da.«
    Dann drehte er sich um, griff nach seinen Sachen und tauchte ab in die Dunkelheit. Ich rannte in die andere Richtung auf die Stimmen zu. Noch immer war diese Kälte in mir, nur meine Wange brannte, wo er mich berührt hatte.
    »Ich bin hier . . .«
    Als ich vor meiner Mutter stand, bebte sie am ganzen Körper.
    »Rebecca! Wo warst du? Bist du in Ordnung? Ich hab dich ein Dutzend Mal angerufen. Keine Verbindung. Und als ich endlich durchkam, wurde der Anruf weggedrückt. Ich dachte . . .«
    Janne fing an zu weinen. Suses Vater stand hinter ihr und legte seine Hand auf ihre Schulter.
    »Ich bin okay, Mam«, murmelte ich schuldbewusst und schielte zu Sebastian, der mich mit zusammengezogenen Augenbrauen anstarrte. Suse, die neben Dimo stand, kaute auf ihrer Haarsträhne herum und wich meinem Blick aus.
    »Ich bin okay«, wiederholte ich eine Spur zu laut. »Ich

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