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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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setzte ich zögernd an. »Meine Mutter ist lesbisch. Sie und Dad waren Freunde, schon von klein auf. Sie sind zusammen zur Schule gegangen und waren auch später unzertrennlich. Meine Mutter sagt, sie waren so etwas wie Seelenverwandte. Irgendwann wollte meine Mutter ein Kind. Und Dad hat ihr den Wunsch erfüllt.«
    »Dann warst du ein Wunschkind«, sagte Lucian. Jetzt waren es seine Augen, die lächelten.
    Ich sah ihn erstaunt an. Das traf es tatsächlich, ich hatte es nur nicht so gut ausdrücken können. Mit einem Mal wusste ich nicht recht, was ich sagen sollte. Ich war verlegen und verwirrt und fühlte mich, als ob ich etwas von mir preisgab, was mir selbst nicht recht klar war.
    »Warum haben sich die beiden getrennt?«, fragte Lucian jetzt. »Hat sich dein Dad aus dem Staub gemacht, als der Wunsch erfüllt war?«
    »Spinnst du? Natürlich nicht!« Empört sah ich ihn an. »Mein Vater hat sich genauso über mich gefreut wie meine Mutter. Er hat mich mit großgezogen. Die ersten Jahre hat er sogar noch bei uns gelebt. Er ist erst ausgezogen, als meine Mutter ihre Freundin Patrizia kennenlernte. Ich glaube, er hat gespürt, dass es etwas Ernstes war. Aber er ist cool damit umgegangen. Wir haben uns trotzdem ständig gesehen und für Patrizia war es kein Problem, dass meine Eltern so eng verbunden waren.« Ich seufzte. »Schwierig wurde es erst, als Dad sich verliebte.«
    »Für wen?« Lucian sah mich prüfend an. »Für dich? Für deine Mutter? »
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Doch.« Ich schwieg. »Es ist kompliziert.«
    »Try me.« Lucians Augen lächelten wieder.
    Ich stützte mein Gesicht in meine Hände, versuchte, mein Herzklopfen zu ignorieren und die richtigen Worte zu finden. Was Michelle betraf, hatte Janne mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg gehalten. Im Gegenteil. Sie hatte Dad mit seiner Californian Barbie Doll aufgezogen, bis Spatz eingriff, die fand, dass meine Mutter den Bogen überspannte. Aber zu Michelle selbst war sie immer höflich gewesen. Michelle dagegen . . .
    Ich seufzte. »Meine Mutter hielt einfach nichts von Dads Freundin«, sagte ich schließlich. »Und Dads Freundin kam nicht mit unseren . . . Familienverhältnissen klar. Sie meinte, es wäre krank, dass meine Mutter lesbisch sei und trotzdem ein Kind haben wollte. Aber das war nicht der wirkliche Grund.« Ich schluckte. »Ich glaube«, fuhr ich leiser fort. »Ich glaube, Dad hat einfach nie aufgehört, meine Mutter zu lieben. Und ich denke, dass Michelle das spürt. Jedenfalls hat sie Dad ständig die Hölle heißgemacht, wenn er uns sehen wollte, und irgendwann hat sie ihn dann überredet, mit ihr zurück nach Amerika zu gehen.«
    Lucian zog die Augenbrauen hoch. »Dann hat er sich ja doch aus dem Staub gemacht.«
    Seine Antwort hatte nicht spöttisch geklungen, aber sie machte mich wütend. »Hat er nicht«, stieß ich hervor. »Wir mailen uns, er kommt mich regelmäßig besuchen und irgendwann werde ich . . .«
    Ich brach ab. Warum klang das alles so, als würde ich Dad in Schutz nehmen wollen?
    »Ich fass es nicht«, sagte ich. »Ich erzähl dir hier meine ganze Familiengeschichte und du . . .«
    Lucian schwieg einen Moment. » . . . ich würde liebend gern dasselbe tun«, beendete er meinen Satz. »Aber ich fürchte, ich muss dich enttäuschen.« Er zwinkerte mir zu, aber es wirkte angestrengt. Plötzlich sah er schrecklich müde aus. »Wer weiß, vielleicht hat mich eine böse Stiefmutter verhext und mir das Gedächtnis geraubt.«
    Sein Blick fiel wieder auf die kleine Sonne, die Dad mir zur Einschulung geschenkt hatte. Wie ertappt sah er weg und griff nach einem Zweig, der im Sand lag.
    »Woher wusstest du, was auf meinem Anhänger steht?«, fragte ich leise.
    Lucian zeichnete kleine Kreise in den Sand, dann warf er den Zweig ins Feuer. Es knackte und die Flammen leckten gierig an der neuen Nahrung. Nach wenigen Augenblicken hatten sie das Holz verschlungen.
    »Ich wusste es nicht«, sagte er.
    »Was ich dir keine Sekunde glaube«, erwiderte ich heftig. »Du hast es sogar auf Englisch übersetzt. Mein Dad spricht englisch mit mir. Aber du kennst meinen Dad nicht. Oder doch?« Plötzlich klopfte mein Herz wieder sehr schnell.
    »Nein«, sagte Lucian. »Ich kenne deinen Dad nicht. Sonst hätte ich dich wohl kaum nach ihm gefragt.«
    Obwohl mir die Fragen auf der Zunge brannten, hatte ich keine Kraft mehr weiterzubohren. Das alles war einfach zu verwirrend, zu heftig, zu . . . anders.
    Ich schlang die Arme um meine

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