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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Erinnerungen.
Dafür Träume von kleinem Mädchen intensiver – jetzt fast jede Nacht. Mädchen in Hauseingang. Allein. Roter Schulranzen. In der Hand ein Gänseblümchen.
Mädchen vor Spiegel. Viele Spiegel. Wieder allein. Erst fröhlich,
dann ängstlich. »Wo bin ich?/Wo seid ihr?«
Mädchen mit Mann (?) am Flussufer. Gespräch über Schwerkraft (Erde, Mond, unsichtbares Band) »Dann gehören sie eigentlich zusammen? Obwohl sie so weit voneinander entfernt sind?«
    Bezeichnend: Hat in seinen Träumen nie Kontakt zu dem Mädchen.
Ist immer Beobachter. Als ich ihn drauf anspreche, ist Reaktion erst verwirrt, dann traurig.
    Nach wie vor sehr misstrauisch. Beobachtet mich ständig, will wissen, was ich aufschreibe.
    Auffällige Ausnahme: versteckt seine Hände.
Reagiert panisch auf Stichwort Polizei.
    Das Mädchen im Hauseingang war ich gewesen. An meinen roten Schulranzen erinnerte ich mich noch genau. Und kein Zweifel, dass das Gänseblümchen in meiner Hand das Geschenk von Leon Schimroka gewesen war.
    Die Spiegel – das war auf dem Hamburger Dom gewesen, wo wir Jannes Rubbellos-Gewinn verprasst hatten. Wir waren ins Spiegelkabinett gegangen, hatten uns verirrt und für kurze, panische Minuten hatte ich die anderen verloren.
    Woher konnte Lucian das wissen? Wie konnte er davon träumen?
    Und Janne? Wusste sie an dieser Stelle, von welchem Mädchen die Rede war?
    Das Flussufer, der Mann neben mir, das war mein Dad! Unser Gespräch über die Schwerkraft, meine Frage – Wort für Wort, wie ich es in meiner Erinnerung hatte.
    Meine Finger zitterten so stark, dass ich sie zu Fäusten ballen musste, bevor ich die Seite umblätterte.
    16.10.2008
Hat Arbeit
Wirkt offener
Hat Mädchen nicht mehr getroffen.
    Zwei neue Träume. Wieder kein direkter Kontakt.
    1) Mädchen – jetziges Alter – Affe Pappmachee, Farbtopf kippt um (rot wie Blut)
    2) Mädchen (klein) im Freibad
    Haifisch . . . Luftmatratze . . . weiß . . . Sharky.
    Jetzt. In diesem Moment hatte sie es begriffen. Ich erkannte es an ihrer Schrift, die mit jedem Wort fahriger geworden war. Das Zittern ihrer Hand spiegelte sich in jedem Buchstaben und dann, beim Namen Sharky, war ihr der Stift ausgerutscht. Ein langer, schrägabfallender Strich, als sei statt Janne der Stift in Ohnmacht gefallen.
    Ich kniff die Augen zu. Grelle Punkte tanzten vor meiner Stirn, mir war übel und es wurde auch nicht besser, als ich die Augen wieder öffnete.
    Okay, Rebecca. Dreh jetzt nicht durch! Ich sah zum Fenster und blinzelte ins helle Sonnenlicht, das direkt ins Zimmer fiel. Kleine Staubpartikel tanzten umher.
    Ich ging zum Fenster, machte es auf und sog die Luft ein.
    Kein direkter Kontakt . Das war der Satz, der mich am tiefsten getroffen hatte. Er packte mich genau an der Stelle, wo ich diese Leere fühlte, das hohle Gefühl in meiner Brust.
    Kein direkter Kontakt.
    Ich drehte mich wieder um, griff nach dem Aufnahmegerät und drückte auf den Rückwärtspfeil, bis das Band einrastete. Dann startete ich die Aufzeichnung.
    Es rauschte. Ein Räuspern. Ich hörte Jannes Stimme.
    Sie klang klar und beherrscht, aber wenn man sie kannte, hörte man das innere Zittern genau.
    »Was ich heute mit Ihnen ausprobieren möchte, ist so etwas wie eine Reise«, sagte meine Mutter. »Eine Traumreise in die Vergangenheit. Vielleicht gelingt es uns auf diese Weise, dass Sie Kontakt zu dem Mädchen aufnehmen können.«
    Pause.
    »Legen Sie sich zurück. Finden Sie eine Haltung, die bequem ist. Ja, so ist es gut. Ich zähle jetzt langsam von zehn bis eins. Folgen Sie einfach meinen Worten. Lassen Sie sich von ihnen leiten. Sind Sie bereit?«
    Keine Antwort.
    »Zehn«, begann Janne. Ihre Stimme war jetzt ganz ruhig, fast fremdkam sie mir vor. »Ihre Augen werden langsam müde . . . Neun. Sie stellen sich vor, dass an Ihren Augenlidern kleine Gewichte hängen, die sie schwer werden lassen, immer schwerer und schwerer, ganz langsam . . .
    Acht. Ihre Augen sind jetzt geschlossen und Sie lassen sich fallen . . .
    Sieben. Tiefer. Sie lassen sich langsam tiefer und tiefer fallen . . .
    Sechs. Eine Welle der Entspannung fließt durch Ihren Körper. Sie beginnt bei den Füßen . . .
    Fünf. Steigt höher über die Waden, zu den Oberschenkeln . . . Vier. Zum Bauch und von dort weiter zur Brust . . .
    Drei. In Ihre Arme, Ihre Hände. Ihr Gesicht. Ihren ganzen Kopf . . . Zwei. Alles ist jetzt warm und ruhig und entspannt . . . Eins.«
    Ich hörte, wie Janne tief ausatmete. »Ab jetzt sind Sie in einem

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