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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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drehte, stand ich in der Toilette, die Faust vor den Mund gepresst. Ich hatte keine Zeit gehabt, die Praxis zu verlassen, ich wäre Janne direkt in die Arme gelaufen. Zum Glück hatte ich die Praxistür von innen abgeschlossen, sodass sie wenigstens nicht gleich Verdacht schöpfen würde.
    Meine Mutter trat in den Flur, ich hörte ihre Schritte und das dumpfe Klacken der Krücken, das näher kam. Jetzt blieb sie ganz dicht vor der Toilette stehen.
    Krampfhaft hielt ich die Luft an und schloss die Augen, während in meinem Kopf die Bilder umherwirbelten. Was Janne in mehreren Etappen erfahren hatte, war in ein paar Minuten auf mich eingestürzt. Ich hatte das Gefühl zu platzen. Wenn Janne jetzt die Tür öffnet, dachte ich, fliege ich ihr in tausend Stücken um die Ohren.
    Sie öffnete die Tür nicht. Das Geräusch der Krücken auf dem Parkettfußboden setzte wieder ein und entfernte sich in Richtung Büro.
    Ich stützte mich auf das Waschbecken, überlegte fieberhaft, ob ich die Sachen in Jannes Büro wieder an ihren Platz gelegt hatte, ob ich etwas verrückt hatte, ob ich mich durch irgendetwas anderes verraten hatte – und dann merkte ich, dass mir all die Überlegungen nicht weiterhalfen.
    Ich drückte die Klinke in Zeitlupentempo herunter und trat, so lautlos ich konnte, in den Flur.
    Die Luft war rein. Ich brauchte nur drei Schritte bis zur Praxistür und dann war ich draußen. Es war viel leichter, als ich gedacht hatte.
    Gerade, als ich die Tür hinter mir zuzog, klingelte es. Es war ein lauter, schriller Ton. Ich fuhr zusammen, ließ die Klinke los und raste, ohne mich noch einmal umzusehen, die Treppe hinunter. Ich kam bis zum zweiten Absatz und dann sah ich ihn.
    Über mir ertönte ein Summen, Janne öffnete die Praxistür. Das kannst du jetzt auch lassen, schoss es mir durch den Kopf, er ist ja schon da.
    Lucian war stehen geblieben, zwei Stufen unter mir. Er starrte mich an, die dunklen Augenbrauen zusammengezogen, aber diesmal lag keine Angst in seinem Blick, sondern unverhohlene Feindseligkeit. Ohne ein Wort schob er sich an mir vorbei und ging die Treppe hinauf.
    Ich hörte noch Jannes Stimme, dann klappte die Tür zu und ich war allein im Treppenhaus.
    Draußen hatte es angefangen zu nieseln, diese Art von Regen, die nicht in Tropfen kam, sondern in hauchdünnen Fäden. Oder nein –stirnrunzelnd sah ich auf den grauen Schleier vor meinen Augen –, das sind keine Fäden, Rebecca. Es sind Bindfäden. Es regnet Bindfäden . So nannte man das, zumindest auf Deutsch. Auf Englisch sagte man: Es regnet Katzen und Hunde . Ich legte meinen Kopf in den Nacken und hielt mein Gesicht in den Regen. Katzen und Hunde, dachte ich, was für ein schwachsinniger Ausdruck! Man würde fühlen, wenn einem Katzen und Hunde ins Gesicht regneten, es würde wahrscheinlich sogar ziemlich wehtun.
    Bindfädenregen dagegen fühlte man kaum oder eigentlich fast gar nicht. Man wurde einfach nur nass. Alles wurde einfach nur nass, die Straßen, die Autos und das himmelblaue Flugblatt vor mir auf demBürgersteig, das so verloren aussah. Ob die Buchstaben auf dem Flugblatt auch nass wurden? Ob sie verschwammen?
    Ich bückte mich und hob das Blatt auf. Die Buchstaben waren noch deutlich lesbar.
    Saubere Fenster ab Euro 1,99 stand als fett gedruckte Überschrift auf dem himmelblauen Papier. Sie suchen eine vertrauensvolle Lösung für die Fensterreinigung in Ihren Büroräumen oder möchten einfach saubere Fenster in Ihrem privaten Zuhause? Dann rufen Sie uns an! Unsere freundlichen, zuverlässigen und deutsch sprechenden Fensterputzer bieten Fensterreinigung schon ab 1,99 Euro inkl. MwSt.
    Saubere Fenster ab Euro 1,99 – wow, das war wirklich ein Schnäppchen! Fenster putzen war eine Höllenarbeit, gefährlich außerdem, wenn man in oberen Stockwerken wohnte. So ein Flugblatt war doch wichtig, davon sollten viele wissen, das Blatt musste in vielen, sehr vielen Hauseingängen hängen!
    Ich wusste, wie man Flugblätter aufhängte, das hatte ich in der Grundschule oft zusammen mit Suse für ihre Mutter getan, als deren Zeitmanagementseminare noch nicht bekannt waren. Fünf Cent pro Flugblatt hatten Suse und ich bekommen und waren stolz durch die Straßen marschiert, bis wir unsere Arbeit erledigt hatten. Diesmal war Suse nicht da. Aber dann musste dieser Job eben allein von mir erledigt werden.
    Ich steckte das himmelblaue Flugblatt unter meine Jacke und steuerte den Copyshop an der nächsten Straßenecke an.
    Ich ließ mir einen

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