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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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räusperte sie sich oder hielt sich die Hand vor den Mund, aber sie unterbrach mich nicht, bis ich zu meinem Einbruch in Jannes Praxis kam. Als ich von den Bändern sprach, die Janne aufgenommen hatte, stieß sie ein Keuchen aus. Zu meinem größten Erstaunen kommentierte sie allerdings nicht die Dinge, die ich in Jannes Praxis über Lucian erfahren hatte. Ihr Entsetzen galt Janne.
    »Ich könnte meine Mutter für das, was sie mir in den letzten Monaten angetan hat, auf den Mond schießen«, setzte sie fauchend an. »Aber wenigstens war sie ehrlich. Was deine Mutter mit dir gemacht hat, das geht auf keine Kuhhaut, Becky. Janne hat gesehen, was mit dir los war, sie hat gesehen, was mit Lucian los war – und sie hat euch beide trotzdem wochenlang hintergangen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und damit sie Lucian noch besser ausspionieren konnte, hat sie dich zu Hausarrest verdonnert. Na, herzlichen Glückwunsch!«
    Suse sprach schnell und voller Wut. »Und du willst eine Eierschere für Dimo. Was ist mit deiner Mutter? Wie hast du es gestern geschafft, ihr ins Gesicht zu sehen? Ich meine, ohne ihr . . . sorry . . . eins mit der Krücke überzubraten?«
    Ich zuckte stumm mit den Achseln. Ich hatte es jedenfalls geschafft. Ich war total ruhig gewesen. Vielleicht weil meine Gedanken nach dem gestrigen Schock ausschließlich um Suse gekreist waren. Und wahrscheinlich auch . . .
    » . . . weil es mir geht wie dir, Suse«, flüsterte ich. »Ich bin so verletzt. Und ich habe solche Angst. Woher weiß Lucian all diese Dinge über mich? Warum kennt er mein blaues Frotteekleid? Woher weiß er von meinem Dad, von unseren Gesprächen – Wort für Wort? Wieso erinnert er sich an das Spiegelkabinett, meine weiße Haifischluftmatratze und mein Lieblingsbilderbuch? Und dann . . .« Ich brachte die letzten Worte kaum noch heraus. » . . . diese anderen Dinge, die er geträumt hat. Der Affe aus Pappmaschee und diese letzte Nachricht mit dem Pony – die Frau auf dem Dachboden – und John Boy. Warum träumt Lucian, dass ich reite und dass mein Wellensittich stirbt?«
    »Wieso hast du ihn das nicht selbst gefragt?«, kam es prompt zurück. Selten hatte ich meine Freundin so pragmatisch erlebt. »Warum hast du nicht vor Jannes Praxis auf ihn gewartet?«
    Weil ich Flugblätter in Eimsbüttel verteilt habe, dachte ich und stöhnte auf. »Weil ich nicht mehr konnte. Bei mir sind einfach die Sicherungen durchgebrannt.«
    »Und du hast keine Ahnung, wo er jetzt sein könnte?« Suse sah zum Telefon. Keine Nummer? Keine Adresse?«
    Ich schüttelte den Kopf und ließ eine abgeschnittene Haarsträhne durch meine Finger gleiten. »Ich weiß nur, dass er in einer Bar arbeitet. Und dass er bei diesem Typen untergekommen ist. Soll ich jetzt sämtliche Wohnungen, Häuser und Bars in Hamburg abklappern?
    Suse seufzte. »Stimmt«, gab sie zu. »Keine gute Idee. Und in der Zeitung? In den Nachrichten? Da war nichts, was man irgendwie mit ihm verbinden könnte?«
    »Nichts.« Ich sah Suse an. »Und wenn er nun wirklich ein Psycho ist? Oder ein Stalker oder . . .«
    »Ich habe noch nie davon gehört, dass Stalker hellsehen können«, sagte Suse. »Wenn Lucian wirklich davon geträumt hat, dass er mit dir unter der Bettdecke gelegen hat, als du noch ein kleines Mädchen warst, oder von diesem Moment im Krankenhaus, dann klingt das für mich mehr nach einem wiedergeborenen Zwilling.«
    »Na super!« Ich musste lachen, obwohl ich mich völlig verloren fühlte. »Den Gedanken hatte ich auch schon und bin am Ende dabei gelandet, eine Soapopera mit dem Titel Desperate Daughters zu erfinden, die mir vielleicht Ruhm und Ehre und viel Geld einbringen wird, allerdings im Moment eher nicht weiterhilft.«
    »Okay, daneben.« Suse grinste schwach und presste ihre Finger auf die geschwollenen Augenlider. »Vielleicht ist er ein Mentalist«, grübelte sie weiter. »Wenn er wirklich Dinge träumt, die in der Zukunft liegen, ist das gar nicht so abwegig. Oder . . .«
    Sie schnippte mit den Fingern. »Ich hab’s«, rief sie aufgeregt und zeigte auf ihren Papierkorb, aus dem der Stern hervorlugte, der letzte Woche noch auf ihrem Nachttisch gelegen hatte. »Dadrin stand ein Artikel von einer Masseurin, die behauptet hat, dass sie in ihrem früheren Leben Hufschmied war und Josef hieß. Sie konnte sich sogar noch daran erinnern, wie sich der Amboss in ihrer Hand anfühlte.«
    »Genau«, sagte ich trocken. »Und ich war in meinem früheren Leben der kleine Jesus in der Krippe

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