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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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dazugekommen, die von Heteros besucht wurden. Auf meinem Weg zurück kam ich an Dönerbuden, Asialäden, indischen Supermärkten, persischen, portugiesischen und italienischen Restaurants vorbei, betrachtete die Schaufenster kleiner Läden, die Suse immer begeisterten, weil sie eben nicht dem stromlinienförmigen Modeangebot der großen Ketten folgten, passierte ein paar idyllische Hinterhöfe und bog dann nach rechts in den Spadenteich ein, bis ich zu einem kreisrunden, mit Kopfsteinen gepflasterten Platz gelangte. Die Cafés und Kneipen, die ihn säumten, waren im Sommer sicher brechend voll, aber auch heute herrschte Betrieb. Aus einer kleinen Kirche strömten Menschen und in einem Kunstobjekt aus mannshohen rostigen Platten spielten ein paar Kinder Verstecken. Auf eine der Platten hatte jemand Duhu liebt sein Monster gesprüht.
    Ich war froh, dass ich nicht die U-Bahn genommen hatte. Der Gang durch das Viertel war jetzt genau das Richtige. In mir kochte noch immer die Wut auf Dimo, wenn ich daran dachte, wie sehr er Suse verletzt hatte.
    Ich bog in eine Nebenstraße ein, passierte eine Schuhmacherwerkstatt und blieb dann vor einer Bar stehen.
    Sie hieß Max und Consorten und auf einem weiteren Schild stand:
    Destille. Gegründet 1885 .
    Ich ging hinein. Ein Mädchen in meinem Alter stand hinter der Bar und schenkte dem Mann am Tresen ein Bier aus, wobei sie verträumt vor sich hin sang. An einem der Tische saß ein Geschäftsmann mit seinem Laptop, an einem anderen eine ältere Dame, die Schnaps trank – ihrer schwankenden Haltung nach, nicht den ersten. Ich setzte mich an einen kreisrunden Tisch mit Barhockern, auf dem eine alte Bronzefigur stand, und sah mich um.
    Die Bar hatte etwas von einem Pub. Über dem Tresen hingen Lampions, die ihre besten Zeiten deutlich hinter sich hatten, und unter der Decke baumelte ein Ventilator, der jetzt nicht in Betrieb war. Dafür erfüllten mehrere alte Lampen den Raum mit schummrigem Licht und an einer großen Pinnwand prangten unzählige Banknoten aus fremden Ländern. Die Wände waren voll von Bildern und Plakaten.
    Todesmelodie oder die 1/4 Stunde des Dichters, von Sven Lange, stand auf einem schwarzen Poster, auf dem drei Kabarettisten abgebildet waren. Im hinteren Teil des Pubs schloss sich ein Raucherraum an, im vorderen Teil waren zwei Türen. Auf der einen stand Küche , auf der zweiten Privat. Durchgang verboten .
    »Was kann ich für dich tun?« Das Mädchen, blonde, kurze Haare, freundliches Lächeln, stand vor meinem Tisch.
    Mir sagen, dass ich nicht spinne, dachte ich und räusperte mich. »Eine Bionade bitte. Holunder.«
    Ich klang wie ein Rabe mit Grippe.
    Das Mädchen ging zum Tresen. Es warf einen Blick auf die Tür mit der Aufschrift Privat.
    »Na?«, hörte ich den Mann am Tresen sagen. »Wartest du darauf, dass dein Süßer eine kleine Pause einlegt?«
    Es war verrückt, aber ich wusste sofort, von wem sie sprachen. Deswegen war ich auch ohne zu zögern in diese Kneipe gegangen.
    Als sich das Mädchen bückte, um einen heruntergefallenen Bierdeckel aufzuheben, stand ich von meinem Stuhl auf, ging zur Tür, zog sie auf und stand in einem kleinen, chaotischen Flur, von dem aus eine Treppe in den Keller führte. Von unten kam klassische Musik. Ich lief die Treppe herunter und öffnete die Kellertür.
    Lucian stand mitten im Raum auf einer Leiter. Er trug durchlöcherte Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das voller Staub war. In der Hand hielt er einen Schraubenzieher und fummelte an der Fassung einer Deckenlampe herum, aus der mehrere Kabel heraushingen. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, mich nicht mehr auf den Beinen halten zu können. Ich sah die sehnigen Muskeln seiner Oberarme und den Schweiß, der ihm in einer feinen Spur den Nacken herablief.
    Er schien zu merken, dass ich ihn anstarrte. Ich versuchte, mich zusammenzureißen, aber es war harte Arbeit, meinen Blick von ihm loszueisen. Die nackten Wände waren frisch verputzt, der Boden war mit einer Plastikplane ausgelegt. Darauf standen Farbeimer, Pinsel, Rollen und ein alter CD-Player, aus dem Beethoven ertönte. Lucian wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und klopfte sich den Staub vom T-Shirt. Erst dann drehte er sich wortlos zu mir um.
    »Deine Haare«, sagte er ruhig. »Sie sind kurz.« Ich nickte. »Und mein Wellensittich ist tot.«
    Lucian setzte sich auf die oberste Leitersprosse und blickte zu mir herab. Seine Miene regte sich nicht, aber sein Blick war deutlich auf

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