Luciano
Mister President«, sagte Carter und fing an zu erklären.
Luciano stand am Fenster und blickte hinunter in
den Ge fängnishof, als die Tür aufging und Carter mit dem
Direktor eintrat. Luciano sagte: »Kann ich jetzt gehen?«
Der Direktor setzte sich hinter seinen
Schreibtisch. »Leider nicht, Mister Luciano. Colonel Carter hat
einen Wagen drun ten. Sie werden unter seiner Obhut nach Washington
über führt.«
»Überführt?« rief Luciano. »Nach Washington? Wozu?«
»Sagen wir, aus
Gesundheitsgründen«, erwiderte der Direk tor. »In
Washington ist eine der besten Lungenkliniken des Landes, und wir
machen uns schon seit einiger Zeit Sorge we gen Ihres Hustens.«
Luciano wandte sich an Carter.
»Sie werden sich etwas Bes seres einfallen lassen müssen,
Professor.«
Carter lächelte. »Oh, das ist meine Absicht, Mister Luciano, verlassen Sie sich darauf.«
Es war später Abend, als der
Packard in die Constitution Avenue einbog und auf das Weiße Haus
zuhielt. Carter und Luciano saßen im Fond, und Luciano kurbelte
das Fenster her unter und blickte hinaus auf die Lichter von
Washington.
»Angeblich ist es zur Zeit unmöglich, in dieser Stadt ein Ho telbett zu kriegen, stimmt das?«
»Nicht, wenn man die richtigen Leute kennt.«
Der Packard bog zum Weißen Haus
ein und entließ seine Fahrgäste am Westeingang des
Erdgeschosses, wo Carter den diensthabenden Beamten des Secret Service
seinen Paß vor wies.
Luciano trug einen dunklen Schlapphut
und einen Trenchco at über dem grauen Tweedanzug, alles
Kleidungsstücke, die er sich im Depot von Great Meadows selber
ausgesucht hatte. Er stand neben Carter, ließ eine Zigarette im
Mundwinkel wippen und verfolgte offensichtlich amüsiert die
Prozedur.
»Ist das alles echt, Professor?
Ich meine, Sie würden mich doch nicht zum Narren halten,
wie?« fragte er, während sie warteten.
»Nein, Mister Luciano«, erwiderte Carter. »Alles garantiert echt.«
Ein Adjutant erschien, ein junger
Marineleutnant mit rasier messerscharfen Bügelfalten.
»Colonel Carter? Wenn Sie mir bitte folgen wollen, der
Präsident erwartet Sie.«
Als Carter und Luciano das ovale
Arbeitszimmer betraten, lag der Raum im Halbdunkel. Nur auf dem
gewaltigen Schreib tisch brannte eine Lampe und beleuchtete noch die
dahinter aufgereihten Regimentsfahnen. Präsident Roosevelt
saß in sei nem Rollstuhl am Schreibtisch und arbeitete. Aus
seinem Mund ragte die unvermeidliche Zigarettenspitze.
Er blickte zu Carter auf und lächelte. »Colonel Carter, wie geht's?«
»Danke, gut, Mister President.«
Der Präsident nickte dem jungen Marineleutnant zu. »Wenn ich Sie brauche, rufe ich.«
Die Tür schloß sich leise.
Eine Weile war alles still,
während der Präsident eine frische Zigarette in den Halter
steckte. Er zündete sie sorgfältig an und nahm dann erst von
Luciano Notiz.
»Also Sie sind Luciano.«
»Soviel ich weiß, ja.«
»Colonel Carter sagte mir, daß Sie ihm allerhand zu schaffen machen.«
»Fragt sich nur, Mister
President, wer hier wem zu schaffen macht«, sagte Luciano.
»Vergangenes Jahr sitze ich friedlich in meiner Zelle, da kommen
Ihre Leute und legen mir nahe, daß es mit den Nazi-Saboteuren in
den Docks nicht mehr so wei tergehen kann, nachdem die Normandie in
Brand gesetzt wur de, also regle ich die Sache mit den Gewerkschaften.
Einen Monat später sind sie wieder da und wollen die Hilfe der
Mafia bei dieser Geschichte auf Sizilien. Wieder tue ich, was ich kann.
Und wie komme ich dazu? Ich meine, was ist schon für mich drin,
außer weitere dreißig Jahre im Knast? Und dann rückt
dieser Herr da an mit der Schnapsidee, daß ich mit ihm nach
Sizilien soll und Kopf und Kragen riskieren – und da fin den Sie, ich m ache ihm a llerhand zu schaffen?«
Der Präsident lehnte sich
zurück und sagte ruhig: »Ich sage Ihnen, was ich tun will,
Luciano. Ich will Ihnen die Chance geben, daß Sie wieder
amerikanischer Staatsbürger werden.«
»Indem ich mit dem Herrn
Professor nach Sizilien gehe?« sagte Luciano. »Warum sollte
ich? Was ist für mich drin?«
Der Präsident sagte: »Eine Kugel in den Kopf, wenn die Na zis Sie schnappen.«
»Und wenn nicht? Ich meine, wenn dieser ganze verrückte Plan klappt, was passiert dann?«
»Oh, ich würde sagen, dann
könnten Sie sich in die siziliani schen Berge absetzen und den
Rest Ihres Lebens als Flüchtiger zubringen. Oder
Weitere Kostenlose Bücher