Luciano
Unseren? Nein – ein Fremder, den nur das
interessiert, was seinem eigenen Volk nützt. Die Engländer
und Amerikaner geben keinen Pfifferling für Sizilien und seine
Bevölkerung. Wir sind bloß Bauern auf dem Schachbrett der
Kapitalisten und Imperialisten.«
Carter war müde. Die Schmerzen
in der Lunge meldeten sich wieder. Es tat weh, wenn er atmete. Er war
müde und der gan zen Sache überdrüssig.
Überdrüssig der Intrigen, der Fehden, der persönlichen
Rachgier. Er war drauf und dran, sich ange widert zu entfernen, als
plötzlich Luciano neben ihm stand.
»Warum ihr auf ihn hören sollt? Ich will euch sagen, war
um, ihr blöden Kerle.« Er riß
mit einer blitzschnellen Bewe gung Carters Hemd auf, so daß die
bleichen, wulstigen Narben der Brustschüsse sichtbar wurden.
»Der Professor hat sein Le ben aufs Spiel gesetzt. Vor zwei
Monaten ist er mit einem Lungenschuß in einem Sarg von hier
fortgeschafft worden. Um wieviel wird das sein Leben verkürzen?
Was glaubt ihr, warum er zurückgekommen ist – weil die Luft
hier so gesund ist?«
Carter sagte:
»Das ist alles in den Wind gesprochen, mein Freund, schade um jedes Wort.«
Er ging hinaus. Im Raum herrschte bedrücktes Schweigen. Dann sagte Zizzo:
»Was, zum Teufel, geht das überhaupt Sie an?« Er wandte
sich an Barbera: »Wer ist denn dieses Großmaul?«
Luciano zündete sich in aller Ruhe eine
Zigarette an. Erst nach einer Weile sagte er: »Eine interessante
Frage. Für den Priester, der mich getauft hat, bin ich Salvatore
Lucania, aber die meisten Leute nennen mich einfach Luciano.«
Sein Lächeln war drohend. »Lucky Luciano. Soll ich euch
erzählen, war um?«
Zizzo und Valachi wichen
entsetzt zurück, und Hochwürden Collura legte sich
schleunigst ins Mittel. »Bitte, Don Salvatore, es war nicht
böse gemeint, niemand wollte Sie beleidigen, ganz bestimmt
nicht.«
Im Hintergrund des Zimmers hing eine
hölzerne handgemal te Ikone Unserer Lieben Frau und des
Jesuskinds. Luciano hielt plötzlich die elfenbeinerne Madonna in
der Hand, ein Klicken, eine knappe Bewegung des Unterarms, und die
Spitze des Sti letts bohrte sich in das Bild.
»Sehen Sie, Hochwürden:
das Messer im Herzen der Heili gen Jungfrau, etwas, das jeder
Sizilianer versteht.«
Die Anwesenden schwiegen wie vom
Donner gerührt, Lu ciano beherrschte jetzt die Szene.
»Karten auf den Tisch. Kommt mit, alle zusammen.«
Er nickte Barbera zu, der ihnen durch
den Aufbahrungsraum in den Präparierungsraum voranging. Unter
weißen Laken la gen dort zwei Tote Seite an Seite. Barbera schlug
das erste La ken zurück, und das magere, gutgeschnittene Gesicht
Pietro Moris kam zum Vorschein. Es war sorgfältig hergerichtet,
die Lippen mit einer Spur Rouge bedeckt. Sogar die Brille fehlte nicht.
»Und hier …« Barbera deckte den zweiten Toten auf – Etto re Russo.
»Wir sind unter größten persönlichen Gefahren hierherge kommen, um der cosa nostra zu
helfen«, sagte Luciano, »aber diese beiden wollten die
Gelegenheit nutzen, um aus privaten Gründen mit der Mafia
abzurechnen. Russo war das Werkzeug. Er und der irregeleitete Junge,
der bei ihm war, fanden dabei den Tod. Aber der Anstifter der Tat war
Mori. Er machte den schlimmsten Fehler seines Lebens, als er nicht nur
mich an griff, sondern seinen Anschlag auch gegen meine Begleiterin
richtete, die Enkelin Antonio Lucas, die sich mit mir zusam men in der
Villa Bellona aufhielt.«
»Heilige Mutter Gottes«, flüsterte Zizzo.
»Bitte, Don Salvatore.«
Valachi hatte jetzt die Mütze abge nommen. »Was da geschehen
ist, war infamità und niemals so geplant. Das müssen Sie mir glauben.«
Er wandte sich an Barbera.
»Vito, du kannst doch sicherlich dem guten Don Antonio
erklären, daß nicht wir das ausgeheckt haben.«
»Natürlich«, sagte
Barbera. »Allerdings sprechen für Don Antonios Ohren Taten
lauter als alle Worte. Die Tatsache, daß der
Bezirksausschuß in Zukunft mit einer einzigen Stimme spricht,
daß wir bei der bevorstehenden Invasion gegen den gemeinsamen
Feind zusammenarbeiten, würde er sicherlich als Beweis für
eure redlichen Absichten gelten lassen.«
Zizzo sagte eifrig: »Auf uns von der Kommunistischen Par tei könnt ihr euch verlassen.«
»Politik ist Politik«, sagte Valachi. »Aber wir alle sind in er ster Linie Sizilianer.«
Luciano trat ans Fenster und
zündet sich eine frische Zigaret te an. Barbera sagte:
»Also, die Invasion
Weitere Kostenlose Bücher