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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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kaum die Hand vor den Augen sehen konnte. Er konnte die Magie darin spüren. Die Familie hatte diesen Nebel herbeigerufen, damit keiner sie bei ihrem Tun beobachtete.
    Im Gehen streckte Sam seine geistigen Fühler aus, um Verbindung mit den Tieren des Waldes aufzunehmen. Wie immer waren die Eulen und die Dachse die Ersten, die darauf ansprachen. Durch ihr Wissen und ihr Gespür wurde er ohne Umwege zu der Lichtung geführt, wo ein Dutzend schweigender Gestalten im Kreis stand.
    Vom Rande der Lichtung, verborgen in der Düsternis unter den Bäumen, blickte Sam durch den Nebel, der von zwölf Fackeln bekämpft wurde. Vier dunkle Gestalten ließen einen Sarg zu Boden nieder und traten zurück. Einer der Fackelträger trat an das Kopfende. Er hatte nur ein Auge und ein narbenbedecktes Gesicht: Odin selbst. Als er sprach, war es in einer alten Sprache, die selbst Sam nur mit Mühe schnell genug übersetzen konnte.
    »Sie war das schönste Kind von uns allen«, sagte er. »Tochter von Liebe und Zeit. Fürstin von Walhalla. Herrin der Natur und des Lebens.« Es lag kein Pathos in seiner Stimme - es waren schlichte Fakten, die er aussprach. Sie war die Herrin der Natur und des Lebens. Fakt. Sie war die Tochter von Liebe und Zeit. Fakt.
    Als er zurücktrat, zogen die Fackelträger ihre Waffen. Einige waren Schwerter, andere Äxte mit einzelnen oder doppelten Klingen. Kalte Feuchtigkeit glitzerte auf dem Metall, alle Gesichter waren versteinert. Sam erkannte Thor, den alten Hammer, warf einen flüchtigen Blick auf den blinden Hektor, auf Signi und all die anderen - Gesichter aus seiner Vergangenheit, Erinnerungen, die jetzt mit Macht zurückkehrten.
    Alle trugen Kronen oder Helme. Thor hatte einen Helm, der den Großteil seines Gesichts bedeckte, was ihm das Aussehen eines Henkers in Rüstung gab. Hektor trug eine dunkle Krone mit einen Relief von schwarzen, verdorrten Blättern. Odin, das einäugige Oberhaupt von Walhalla, war mit eisernen Dornen gekrönt. Ein Schmerzensmann, wenn Sam je einen gesehen hatte. Odin oblag es, die Ehre seines Hauses hochzuhalten, und es schien, als würde er dabei erbärmlich scheitern. Er hatte fast alles versucht, um dessen Größe wiederherzustellen — selbst, so ging das Gerücht, den einen oder anderen Mord doch Walhalla musste mehr und mehr den anderen Häusern des Himmels weichen. Die Chance, dass ein Angehöriger Walhallas den Thron des Himmels bestieg, stand jetzt eins zu einer exorbitant hohen Zahl.
    Die Kinder von Walhalla begannen zu singen, sehr leise. Es war eine Totenklage. Auch Sams Lippen formte lautlos die Zeilen mit; er kannte jedes Wort davon aus einem Teil seiner Vergangenheit, den er vor langer Zeit vergessen hatte, doch der jetzt in ihm aufstieg und die Welt mit Schatten von Dingen erfüllte, die einst waren. Während er sang, nahm er aus der Gürteltasche den schmalen silbernen Reif, der auch ihn als einen Fürsten des Himmels auswies. Feuchtigkeit schimmerte daran, überzog sein Gesicht und Haar mit Glanz. Er setzte ihn auf aus Ehrerbietung für die Verstorbene, als er seine Trauer mit der von Odin, Thor, Hektor, Fricka und den anderen vereinte. Alte Schule. Schwache Schule. Und dennoch, wegen des Kriegs im Himmel, die Art von Leuten, die Sam auf ein bloßes
    Wort hin töten würden - einfach nur deshalb, weil er war, wer er war.
    Als das Lied endete, trat jeder der Reihe nach vor Freyas Sarg und legte etwas hinein, sei es ein Zauber oder eine letzte Gabe. Danach hoben vier von ihnen den Sarg auf und wandten sich mit dem Gesicht nach Norden. Odin und Thor, die einander gegenüberstanden, hoben die Hände und öffneten sie. Wo ihre Finger die Luft durchteilten, folgte weißes Feuer, sich windend wie eine Schlange im Griff des Fängers, und zeichnete den Umriss eines Tores, das von dichtem weißen Nebel erfüllte war. Durch dieses Tor hindurch entschwand der Sarg mit seinen stummen Trägern. Dann folgte der Rest der Trauergemeinde; immer zwei und zwei zogen sie schweigend durch das Tor. Nur Odin und Thor blieben zurück, als das Tor sich schloss.
    Thor sprach als Erster: »Wer hat das getan? Und warum? Ich verstehe es nicht!«
    »Du wirst es bald verstehen. Ich verspreche es«,, sagte Odin ruhig.
    »Es gibt keinen Grund für ihren Tod!«
    »Aber du weißt, wer dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Und warum du das Werkzeug unserer Rache sein musst.«
    Thor ließ den Kopf hängen, immer noch voller Zorn. »Jahrhunderte lang habe ich dir gedient, wie alle in Walhalla.

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