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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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zurück, ohne ihrem Blick zu begegnen. »Ich habe Angst«, gab er zu. »Die Zeit ist aller Dinge Herr, doch manchmal glaubt Vater Zeit, eine Lektion lehren zu müssen. Ich habe Angst, er will mich gebrauchen, um sich selbst eine Lektion zu verpassen.«
    »Was meinst du?«
    Er rollte den Kopf auf den Schultern, als würden ihn alte
    Verspannungen und Schmerzen plagen. »Denk mal drüber nach. Du hast das Neue Testament gelesen, wurdest als gute Christin erzogen. Die Lehren darin werden von einem Mann gepredigt, der an ein Kreuz genagelt wurde, oder so geht die Legende.« Sie öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, aber er kam ihr zuvor. »Viele Menschen starben am Kreuz, Annette. Ich weiß es. Ich war da. Aber mein Punkt ist, die Symbolik dieses Todes hat Wellen durch die ganze Geschichte geschlagen und den Lauf der Welt neu geschrieben. Chronos sieht nicht nur, was war, sondern auch, was ist und was sein wird und die Vergangenheiten und Zukünfte, die sein könnten. Und, siehst du, darum habe ich Angst. Ich habe Angst, dass er, um eine bestimmte Zukunft geschehen zu lassen statt einer anderen, willens ist, meinen Tod durch die Zeitalter widerhallen zu lassen. Ohne mich vorher zu fragen, versteht sich.«
    »Warum? Zu welchem möglichen Zweck würde er dich opfern?«
    »Ich weiß es nicht. Das sind alles nur Vermutungen, verstehst du. Ich kann die Zukunft nicht sehen. Ich kann nur die Vergangenheit studieren und mich fragen, ob mein Vater uns in alle Ewigkeit im Kreis herumlaufen lässt oder ob er uns bereits jene Lektionen lehrt, um jene Welten zu schaffen, und ich es noch nicht bemerkt habe.«
    »Die Zeit ist aller Dinge Herr«, murmelte sie. »Bis auf Uranos.«
    »Bis auf Uranos«, stimmte Sam zu. »Es hat fast etwas Beruhigendes, zu wissen, dass es etwas gibt, womit mein Vater nicht fertig wird.«
    Seine Augen waren inzwischen wieder schwarz, die Stimmen so gut wie verklungen. Ist mein Schicksal unausweichlich? Vater, ich weiß, du kannst mich hören, weil jeder Gedanke, den ich habe, Zeit
    braucht, also etwas von dir. Hast du meine ganze Zukunft gesehen, und kümmert es dich nicht? Wirst du mich sterben lassen, damit eine Wirklichkeit ins Leben gerufen wird statt einer anderen? Und welches mögliche Interesse könntest du daran haben, Wirklichkeiten festzulegen? Wovor hast du solche Angst, Vater, dass du meine Augen so brennen lässt und meinen Geist mit den Gedanken Sterblicher erfüllst? Oder kümmert dich das alles nicht?
    Es gab keine Antwort. Es hatte nie eine gegeben.
    Sam erinnerte sich, wie das Mondgespinst-Netzwerk gegründet wurde.
    Adamarus war entgeistert gewesen. »Sich einmischen? Ihr? Wir?«
    »Ja.«
    »Wo? Warum? Wie?«
    »Überall, auf jede mögliche Art. Denn was die Sterblichen tun, ist nicht nur gegen jede menschliche Moral, sondern sollte auch bei den Anderen ein paar Saiten zum Klingen bringen. Dafür braucht es eine Menge Böses, und so ist es nur ... moralisch«, er ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen, »dass wir etwas tun.«
    »Du hältst mir einen Vortrag über Moral? Du ?«
    »Du solltest nicht alles glauben, was du in der Bibel, der Thora oder dem Koran liest, weißt du. In Wirklichkeit bin ich ein netter Kerl.«
    Es war Jehova. Zumindest war es ein Trost für Sam, dass er einem die Schuld gegen konnte. Jehova hol mir das angetan, hat meinen Namen zum Fluch gemacht. Jehova war derjenige, der als Erster den Begriff >Satan< prägte. Sohn von Glaube, was hast du mir angetan?
    Die Musik im Kopfhörer wurde wieder leiser - das Unterhaltungsprogramm in den Flugzeugen machte mehr Ärger als Vergnügen. Aber nun WEIT sein Kopf nahezu frei von den Stimmen, und er konnte die ganze Kraft seines Zorns gegen Jehova richten. Zorn, nicht Hass, schärfte er sich ein. Wer hasst, wird zu dem, was der Gehasste in ihm sieht, und das werde ich niemals sein.

11
    Könnte-sein-Stadt
     
    Moskau ist eine von diesen Könnte-sein-Städten. Sie könnte eine der größten der Welt sein mit ihrer kaiserlichen Architektur und ihren seltsamen alten Gebäuden, in denen sich West und Ost vermischt. Sie könnte schön sein, sie könnte der Mittelpunkt der Welt sein, wäre da nicht die Last einer bedrückenden Vergangenheit und ein Klima so rau, dass viel von Russland ebenso gut von der Landkarte gefegt worden sein könnte. So viele Könnte-Seins waren hier begraben, in dunklen Vorstädten und von Müll gesäumten Straßen, die nun auch vor den allgegenwärtigen Läden amerikanischer Handelsketten

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