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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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des Abtes kann ich klar die Größe und Form der Mauern erkennen. Doch bis ich den Historiker gefunden habe, sind mir alle Tore versperrt.
    Das Frühstück bestand aus »authentischer europäischer Küche« - fettige Spiegeleier mit ebenso fettigem Schinken auf einem Teller mit zwei roten Klecksen, die so etwas wie gegrillte Tomaten darstellen sollten. Bei dem Anblick sagte sich Sam, dass er nicht nach Russland gekommen sei, um etwas zu essen, was er in irgendeinem seiner europäischen Heimatländer hätte besser bekommen können.
    Während des Essens bedachte er die ungelöste Frage nach Freyas Sicherheitsvorkehrungen. Wieso hatten sie versagt? Sie mussten hoch gewesen sein, wenn man bedachte, wie sie Andrew, ihren wichtigsten Ermittler, abgeschottet hatte. Selbst Sam, der so viel länger auf der Erde war als die anderen Fürsten, hatte nicht bemerkt, dass sie, eine seiner Schwestern, einer großen Sache auf der Spur war.
    All diese Hintertürchen. Wie lange hatte Freya gewusst, dass sie sich, wenn nötig, an Sam um Hilfe wenden würde? Wie lange schon war Sam ihr unwissentlicher Komplize, derjenige, bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er die Antworten finden würde? Ist es mein Schicksal, jedem, meinem Vater, meiner Schwester, als Helfer zu dienen? Selbst Jehova hat mich zu seinem Vorteil benutzt, mit seinem halb-sterblichen Sohn, und ich habe ihm ahnungslos den Weg bereitet.
    Peter, der ihm gegenübersaß, sah ohne ein Wort zu, während Sam frühstückte. Alles, was der Dschinn haben wollte, war eine Tasse Kaffee. Wenn Sam sich richtig an die Ernährungsgewohnheiten der meisten Dschinns erinnerte, waren ihre Geschmäcker für die menschliche Küche ansonsten eher ... ungewöhnlich.
    Vielleicht war es die selbstsichere Art, mit der Sam seinen Teller zurückschob und seine Finger streckte. Jedenfalls hob der Dschinn plötzlich den Blick und sagte: »Ihr habt Euch entschieden, was Ihr tun wollt?« Es war nicht wirklich eine Frage.
    »Ja. Wenn Freyas Plan fest genug gezurrt war, um mich so effektiv in die Sache hineinzuziehen, dann wette ich, dass sie auch aus dem Grab heraus nicht lockerlässt, um mir den Weg frei zu machen. Ich werde nach ihm sichten.«
    Sam musste zugeben, dass Peter ein Profi war. Aus den Augenwinkeln warf der Dschinn ihm manchen verstohlenen Blick zu, als er Sams Gesicht studierte. Und immer wenn Sam sich schnell genug umdrehte, um seinen Blick aufzufangen, oder auch nur leicht irritiert wirkte, verneigte sich Peter sofort, als wäre es seine Schuld.
    Seine Kompetenz sprach Bände, als sie in Sams Zimmer zurückkehrten. Ohne ein Wort ging Peter zum Waschbecken, steckte den Stöpsel rein und drehte den Wasserhahn auf. Hier war einer, der wusste, was Sichten bedeutete. Rasch füllte er das Becken mit eiskaltem Wasser, zog die fadenscheinigen Vorhänge zu und hängte seinen Mantel darüber, sodass der Raum nur noch von der einzigen gelben Glühbirne an der Decke erhellt wurde.
    Seinerseits sah der Dschinn respektvoll zu, wie Sam sich ans Werk machte, das Licht ausdrehte, sodass der Raum hinter der behelfsmäßigen Verdunkelung in fast völlige Finsternis getaucht wurde, und mit der Lässigkeit eines Meisters, der eine alltägliche Verrichtung erledigt, zum Waschbecken ging. Der Lärm des Verkehrs draußen wirkte mit einem Mal lauter. Auf der Straße stritt sich ein Paar. Zwei rivalisierende Katzen zischten sich im Hinterhof an. Ein Baby weinte. In der Nacht könnte ein Kind sich im Halbschlaf aus einer derartigen nachbarschaftlichen Musik eine ganze Geschichte zusammenspinnen.
    Sam hörte nichts von all dem, als er seine Hände mit den Handflächen nach unten über die Oberfläche des Wassers ausstreckte. Wie schäbig, dachte Peter, Magie unter solchen Bedingungen vollbringen zu müssen. Ein Fürst des Himmels sollte seine Zauber über marmornen Becken sprechen, in Tempeln erhellt von Kerzenschein. Alles hier wirkte wie eine Beleidigung für die Größe eines Weltenwandlers: die improvisierte Blende über der durchhängenden Vorhangstange, das rosa Plastikbecken, der Sperrholzschrank. Peter wollte ausrufen, nein, das gehe so nicht, alles andere wäre besser als dieses triste, lärmige kleine Zimmer.
    Aber Sam war bereits in den Zauber versunken und achtete nicht mehr auf das schmutzige Becken und den zerbrochenen Spiegel. Peters Entrüstung wandelte sich in Zerknirschtheit. Wer war er, dass er an solchen Details Anstoß nahm, wenn sie für ein Wesen, das zwischen den Welten wandeln und

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