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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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kapitulierten, nachdem sie ihnen so lange widerstanden hatten.
    In der Nacht, wenn die Straßen um Sams Vorstadthotel verlassen waren und ein frostkalter Wind durch die Eiszapfen pfiff, die von den Gesimsen hingen, und kleine Wirbel von schmutzigem Schnee aufscheuchten, erwachte das dunklere, geisterhafte Moskau zum Leben. Er konnte fast die geflüsterten Stimmen einer bitteren Vergangenheit hören und dachte an all die Menschen - Napoleon, die Bolschewiken, die vordringenden Deutschen, entrechtete und zornige ethnische Minderheiten -, die dieses Gespenst hatten in Stücke reißen wollen.
    Mein Leben besteht aus einem einzigen immer wiederkehrenden schäbigen Hotel, dachte Sam, als er aus dem klapprigen privaten Taxi taumelte, das alles war, was er am Flughafen hatte auftreiben können. Das Hotel lag in einem heruntergekommenen Gebäude zwischen einem alten Café und einem großen grauen Plattenbau.
    »Sebastian Teufel«, sagte er zu der Frau an der Rezeption. »Ich habe reserviert.«
    Er wurde mit der üblichen russischen Wärme begrüßt und fragte sich, ob sie der aufrichtigen Gastfreundschaft gegenüber Fremden entsprang oder der Freude, die Geldbörse eines Fremden zu sehen. Er hatte in letzter Sekunde noch daran gedacht, seine Euros am Flughafen zu wechseln; was hätte sie gemacht, wenn er mit ausländischem Geld zu zahlen versucht hätte? Es vermutlich mit einem Lächeln entgegengenommen.
    Der Raum sah nicht anders aus als der in Paris, den er erst am Morgen dieses Tages verlassen hatte, außer dass es Schimmel in einer Ecke gab und dass die Tapete noch mehr abblätterte. Irgendwie schaffte er es, einen Schutzzauber auf Tür und Wände zu zeichnen, bevor er auf dem Bett zusammenbrach, ohne sich vorher auch nur die Stiefel auszuziehen.
    Wie lange Sam geschlafen hatte, konnte er nicht sagen. Doch zu dem Zeitpunkt, als er ein respektvolles Klopfen an der Tür hörte, stahl sich bereits volles Tageslicht durch den dünnen Vorhang. Von draußen hörte er das Klirren von fallendem Eis im Sonnenschein.
    Stöhnend kämpfte sich Sam aus dem Bett, wobei er die Hälfte der Decken mit sich nahm, und öffnete die Tür. »Ja?«, schnappte er.
    Ein untersetzter Mann stand vor ihm. Unter einer großen Fellmütze stachen Haarbüschel hervor, die so rot waren, dass sie eigentlich nur gefärbt sein konnten. Als der Mann Sam sah, verbeugte er sich tief. Das Wort, das Sam als erstes in den Sinn kam, war >Skateboarder<. Er hatte die Statur eines Athleten, aber das rote Haar und die intelligenten Augen flüsterten von einem gänzlich anderen Leben. Nachdem er die erste Beschreibung verworfen hatte, fand Sam sich an Bilder aus einem
    Buch erinnert, das keltische Krieger mit stacheligen Haaren zeigte, die angriffen, um zu töten oder, was häufiger der Fall war, getötet zu werden.
    Er wartete auf die ersten Worte des Mannes, neugierig, ob seine Diagnose zutreffen würde oder nicht.
    »Euer Hochwohlgeboren.«
    »Was?« Sam war perplex. »Euer Hochwohlgeboren« war weder die Sprache eines Skateboarders noch die eines keltischen Kriegers.
    »Euer Hochwohlgeboren, Wisperwind hat mich geschickt.«
    Hereingebeten, schien der Mann zu schweben, und als Sam ihm in dem engen Raum einen Moment zu nahe kam, verspürte er eine unwahrscheinliche Hitze, die von dem vermummten Körper ausging. Hitze und dem Geruch von ... Blättern? Sam drehte den Wasserhahn auf, schlug dagegen, bis Wasser kam, und steckte dann den Kopf darunter. Der Schock des eiskalten Wassers brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück, und er wusste mit einem Mal, was das alles zu bedeuten hatte. Das und die Tatsache, dass der Mann die ganze Zeit, während er mit der Morgentoilette beschäftigt war, einfach neben dem Bett stehen geblieben, sich nicht einmal hingesetzt hatte. Jetzt wusste Sam warum.
    »Du bist der Dschinn, stimmt's?«
    Das Geschöpf verbeugte sich erneut. »So ist es, Euer Hochwohlgeboren.«
    »Hör auf mit dem Quatsch. Im Moment heiß ich Sebastian, und so soll's auch bleiben.«
    Der Dschinn wirkte erstaunt über diese Formlosigkeit. Er hatte offensichtlich jemand oder etwas... Satanischeres erwartet. Sam, willensstark und stolz wie er war, fand, dass ihn die Unterwürfigkeit, die der Dschinn an den Tag legte, verärgerte. Zur gleichen Zeit wurde ihm durch die steife Haltung des Geschöpfes klar, dass hier ein Geist stand, der vermutlich seinen eigenen Teil an Kämpfen ausgestanden hatte. Gewiss sah er aus wie ein Krieger - aber eher wie einer, der sich

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