Lucifers Lady
benahm sich auch nicht so. Klein, rundlich und lebenslustig, stieß sie die gute Gesellschaft ständig vor den Kopf und wurde dennoch von ihr akzeptiert. Während die meisten Frauen Perücken trugen, weigerte sich ihre Tante, ihr eigenes Haar zu bedecken mit der Begründung, es sei das Schönste an ihr. Ihr schimmerndes braunes Haar zeigte noch keine Spuren von Grau, und sie trug es kunstvoll aufgesteckt.
„Komm, Catherine, trödle nicht. Gwen und ihre Gäste warten“, sagte sie und winkte Dunwith. „Holen Sie ihr Cape, damit wir aufbrechen können.“
Es war Catherine nicht leicht gefallen, ein Kleid zu finden, das ihre rundlichere Taille verbarg. Sie konnte es nicht erwarten, London zu verlassen, damit sie ein paar Garderobenstücke ändern lassen konnte.
An diesem Abend war es ihr mit Dulcies Hilfe gelungen, eine Robe so zu ändern, dass niemand ihren kleinen Bauch bemerkte. Außerdem hatte sie ein dunkelgrünes Kleid mit einem dazu passenden Schal gewählt, der ihre Figur verbarg. Und obwohl es gut zu ihrer hellen Haut und dem silberblonden Haar passte, war es von schlichtem Schnitt, so dass es keine Aufmerksamkeit erregte.
„Bist du sicher, dass du dieses Kleid tragen willst, Catherine?“ fragte ihre Tante und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„Ja, Tante Lilith. Es ist mir sehr bequem, und wir sind spät dran.“
„Oh ja, Liebes, du hast Recht. Wir müssen aufbrechen, sonst trifft Gwen der Schlag.“ Sie half Catherine in das lange Cape und zur Tür hinaus.
„Sagen Sie dem Marquis, ich werde früh zurück sein“, rief sie Dunwith noch zu.
„Sagen Sie Seiner Lordschaft, es wird spät werden“, korrigierte die Tante, schob Catherine in die Kutsche und befahl dem Fahrer, er solle sich sputen.
Sie kamen nur wenige Augenblicke, ehe das Dinner serviert wurde, an, und die Zeit reichte gerade noch für eine kurze Vorstellung bei den anderen Gästen.
Catherine stand neben ihrer Tante und lächelte freundlich William Beacon und Margaret, seine Gemahlin, an, den Earl und die Countess of Sheffield. Dann begrüßte sie ein junger Mann namens Benjamin Bond mit einem etwas schiefen Lächeln, während der Baron und die Baroness Harthington sie herzlich willkommen hießen. Danach verlor sie die Übersicht bei all den verschiedenen Namen, bis ...
„Und jetzt, Catherine, ist es mir ein Vergnügen, dir einen gerade erst eingetroffenen Gentleman vorzustellen, Lucian Darcmoor. “
Lucian trat aus dem Schatten einer Zimmerecke und kam auf sie zu. Das Herz hämmerte ihr wie rasend in der Brust, ihr Atem stockte, die Knie zitterten, und sie war überzeugt, gleich in Ohnmacht zu fallen. Nichts an ihm erinnerte mehr an den Piraten Lucifer. Er trug schwarze Abendkleidung, nur sein Hemd war strahlend weiß. Das Haar hatte er im Nacken zusammengebunden.
„Mylady“, sagte er und beugte sich über ihre Hand, um sie zu küssen.
„Das Dinner ist angerichtet, Madam“, erklärte ein Diener.
„Lucian, da du bereits die Hand von Lady Catherine hältst, würdest du sie zu Tisch führen?“ bat Gwen und blinzelte Lilith verschwörerisch zu.
„Ich wäre entzückt“, sagte er und nahm Catherines Arm. Er neigte sich zu ihr, als sie den Raum verließen, und flüsterte: „Nur die Ruhe, Engel, oder willst du in Ohnmacht fallen und eine Szene verursachen?“
26. KAPITEL
Lucian beobachtete Catherine während des ganzen Essens. Er saß ihr gegenüber und konnte sie mühelos ansehen. Zuerst hatten ihn ihre blasse Haut und die dunklen Ringe unter den Augen nicht beunruhigt, hatte er beides doch dem Schreck zugeschrieben, ihn wieder zu sehen. Doch während der ganzen Mahlzeit blieb sie so blass.
Er war noch nicht lange in London gewesen, da hatte er schon die Gerüchte über ihre Gefangennahme durch den legendären Piraten Captain Lucifer gehört und auch von ihrer Rückkehr. Sein Plan hatte funktioniert. Zu gut funktioniert. Er hatte zu spät erkannt, dass es ein Fehler gewesen war, sie zurückzuschicken. Sie gehörte zu ihm. Er liebte sie.
Diese Erkenntnis hatte er gewonnen nur wenige Minuten nach ihrer Abreise. Er war fast wahnsinnig geworden, während er auf Santos' Rückkehr wartete, ohne sie neben sich, ohne ihre Liebe. Wäre die Black Skull nicht gerade überholt worden, wäre er ihr nachgesegelt und hätte sein eigenes Schiff angegriffen, wenn das nötig gewesen wäre, um sie zurückzugewinnen.
Die Rache zählte nicht mehr für ihn, wichtig war nur noch Catherine. Er hatte einen fatalen Fehler begangen. Er hatte sie
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