Lucifers Lady
befürchtet zu versagen. Der Vater hatte ihr die Tränen weggewischt und sie ermutigt. Er hatte sie auf die Knie gezogen und erklärt, dass ihr Verstand langsamer arbeitete, wenn sie lernte, dass sie aber klüger war als die meisten Menschen. Sie musste sich nur Zeit nehmen und über alles gründlich nachdenken.
Als er sie das Schreiben lehrte, verwechselte sie oft Buchstaben und Zahlen. Wieder ermahnte er sie, sich Zeit zu lassen, und bewies ihr seine Theorie, wenn er sie über Mathematik befragte. Sie beantwortete jede Frage korrekt und ohne Zögern. Und wann immer sie unsicher über irgendetwas war, nahm sie Papier und Feder und übte Zahlen und Buchstaben, wie sie es als kleines Kind getan hatte.
Sie sah sich im Zimmer um und stellte fest, dass Lucian zu schlafen schien. Er bewegte sich nicht und atmete regelmäßig. Dann suchte sie nach einem Tintenfass und entdeckte eines auf der Seekiste an der gegenüberliegenden Wand.
Sie glitt von der Bank und eilte zu der Kiste hinüber. Sie griff nach Tinte und Feder und fand ein Stück Papier, das sie ebenfalls mitnahm. Dann kehrte sie zum Fenster zurück.
Draußen regnete es heftig, so dass die Einwohner von Tortuga
sich in ihre Häuser zurückgezogen hatten. Verklungen waren das Gelächter, die Lieder, die Streitereien. Stille erfüllte die Nacht, sehr zu Catherines Erleichterung.
Sie stellte alles, was sie geholt hatte, auf die Fensterbank und trug dann behutsam die Öllampe zu dem kleinen Tischchen unter dem Fenster, damit sie zum Schreiben genügend Licht hatte.
Dann kletterte sie wieder auf ihren Platz, zog die Beine an, so dass sie das Papier darauf legen konnte, und tauchte die Feder ins Tintenfass. Langsam begann sie ihren Namen zu schreiben.
Catherine war müde von dem langen, ereignisreichen Tag, und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Die Buchstaben verschwammen ihr vor den Augen. Jeder Versuch, den Namen zu Ende zu schreiben, scheiterte, und sie wurde immer unsicherer. Wenn sie nicht einmal ihren Namen schreiben konnte, was keine schwere Aufgabe war, wie konnte sie dann darauf hoffen, den Namen ihres Vaters rein zu waschen?
Sie biss sich auf die Unterlippe und konzentrierte sich. Sie musste ihren Namen richtig schreiben, sie musste einfach. Sie versuchte es einmal und dann noch einmal, aber jedes Mal erschienen die Buchstaben verschwommener. Schließlich begann sie leise zu weinen, während sie noch versuchte, richtig zu schreiben.
Lucian bewegte sich im Schlaf, er spürte, dass etwas nicht stimmte. Er hörte Catherine leise schluchzen, als er die Augen öffnete. Er vergeudete keine Zeit, stieg aus dem Bett und ging zu ihr, voller Sorge.
Sie sah zu ihm auf, die Augen gerötet und nass von Tränen. Er blickte auf sie hinunter und bemerkte das Blatt auf ihren Knien. Verwirrt griff er danach.
„Verdammt, Catherine, hat man Sie nicht Schreiben und Lesen gelehrt? Sehen Sie nur, was Sie getan haben.“
All die Jahre, in denen sie versucht hatte, es zu lernen, all die Jahre, in denen sie dieses Geheimnis gewahrt hatte, all das kam auf einmal an die Oberfläche, und sie riss ihm das Blatt aus der Hand. „Ich habe lesen und schreiben gelernt.“
Noch einmal versuchte sie, ihren Namen zu schreiben, langsam, sorgfältig, konzentrierte sich auf jede Linie, jeden Schwung. Sie umfasste den Federkiel fest, während sie gründlich arbeitete. Aber ihr Verstand gehorchte nicht.
Sie weinte auf vor Enttäuschung, wann immer sie einen Fehler machte, und versuchte, ihn zu korrigieren.
Lucian stand neben ihr, sprachlos. Offensichtlich war sie im Lesen und Schreiben unterrichtet worden, aber nicht gründlich genug. Aber selbst wenn dem so war, hatte sie viel gelernt. Sie war intelligenter, als er zuerst vermutet hatte. Und er respektierte und bewunderte ihre Entschlossenheit und ihren Mut.
Er beugte sich über sie und umfasste ihre Hand. „Lass mich dir helfen.“
Catherine erstarrte vor Schreck, während ihr noch die Tränen über die Wangen liefen.
Er lächelte ihr zu, ein sanftes, ermutigendes Lächeln, und Catherines Furcht verflog plötzlich. Seine große Hand bedeckte ihre ganz und gar, und zusammen schrieben sie ihren Namen.
„Danke“, flüsterte sie und lächelte. „Du bist wahrhaftig ein Gentleman.“
Lucian starrte sie an. Sie sah so verletzlich und so unschuldig aus mit dem silberblonden Haar, das ihr um die Schultern fiel und um das bleiche Gesicht. Und ihre grünen Augen schimmerten noch grüner von den Tränen, die Wangen waren
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