Lucky - Nur eine Frage der Zeit
dunkelblau, fast schwarz, und offenbar blickten sie hinter ihre Fassade. Dieser Mann sah mehr als die Haare, die ihr unordentlich ins Gesicht fielen, mehr als die hochgeschlossene Bluse und mehr als die stets leicht gelangweilte, leicht abweisend-ungläubige Miene, die sie sich zu eigen gemacht hatte.
Was immer er jedenfalls sah: Als er sie anschaute, lächelte er, und zwar weder herablassend noch spöttisch, sondern warm und herzlich. Er streckte ihr die Hand entgegen. “Ich bin Alan Francisco.”
Sein Händedruck war angenehm fest. “Willkommen in Coronado! Wenn Sie irgendetwas brauchen, wird Sergeant O’Donlon sich mit Vergnügen darum kümmern.”
Und damit war er auch schon wieder weg. Erst als er bereits durch die Tür verschwunden war, begriff Syd, was sie gesehen hatte: Er bewegte sich steif und stützte sich schwer auf einen Stock.
Erschrocken wurde ihr klar, dass sie Alan Francisco hinterherstarrte. Lucky war bereits im Büro des Lieutenant Commander verschwunden. Also eilte sie ihm nach und schloss die Tür hinter sich.
Es war keine Überraschung mehr, dass Lucky die Arme um Detective McCoy gelegt hatte und ihr zur Begrüßung einen Kuss gab.
“Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dich richtig zu begrüßen”, murmelte er. “Du schaust sensationell gut aus, Süße.” Den Arm fest um ihre Schultern gelegt, wandte er sich an Syd. “Blue, Lucys Mann, ist der XO der Alpha Squad.”
Lucys Mann. Syd blinzelte überrascht. Lucy war also mit einem SEAL verheiratet, und vermutlich kannten sich die beiden Männer, wenn sie nicht sogar befreundet waren. Dieser Typ war einfach unglaublich.
“XO steht für Executive Officer”, erklärte Lucy, bevor sie sich aus Luckys Umarmung löste, und band sich den langen Pferdeschwanz neu. Sie hatte schöne Augen. “Blue ist der stellvertretende Commander der Alpha Squad.”
“Blue”, wiederholte Syd. “Heißt er wirklich Blue?”
“Nein, das ist sein Spitzname”, erklärte Lucy lächelnd. “SEALs bekommen im Allgemeinen während ihrer Ausbildung einen Spitznamen verpasst.” Sie zählte an den Fingern ab: “Da hätten wir Blue, Cat, Cowboy, Frisco, Lucky, Harvard, Crash, Crow, Fingers, Snakefoot, Wizard, Elmer, den Priester, Doc, Spaceman …”
“Ihr Mann arbeitet also hier auf dem Navy-Stützpunkt?”, hakte Syd nach.
“Manchmal”, erwiderte Lucy. Sie warf Lucky einen Blick zu, den Syd beim besten Willen nicht zu deuten wusste. “Die Alpha Squad hat das Fahrwerk eingezogen, während wir in der Stadt waren.”
Auch diese Worte wusste Syd nicht zu deuten. “Fahrwerk eingezogen?” Sie kam sich vor wie ein Papagei.
“Sie sind zu einem Einsatz gestartet”, erklärte Lucky. Er saß halb auf Lieutenant Commander Franciscos Schreibtisch und lehnte sich bequem zurück. “Die Redewendung bezieht sich auf das Fahrwerk eines Flugzeugs, das nach dem Start eingezogen wird. Soll heißen: Die Alpha Squad ist fort, ausgeflogen.”
Wieder schienen Lucy und Lucky wortlos miteinander zu kommunizieren. Sie warfen sich nur einen langen bedeutsamen Blick zu. Konnte es sein, dass dieser blauäugige Gott eine Affäre mit der Frau eines Vorgesetzten hatte? Möglich war zwar alles, aber das schien denn doch ein bisschen zu abwegig.
“Was du getan hast”, brach Lucy leise das Schweigen, “wird Ellen sehr, sehr viel bedeuten. Im Rückblick wirst auch du sehen, dass es die Sache wert ist.”
“Ich könnte immer noch zu einem Einsatz abkommandiert werden”, widersprach er. “Wenn eine große Sache anläge und ich gebraucht würde, könnte ich nicht mal an meiner eigenen Hochzeit teilnehmen.”
Sydney räusperte sich. Sie wusste nicht, worüber die beiden redeten, und wollte es auch nicht wissen. Es interessierte sie nicht, wer Ellen war oder was Lucky und Lucy McCoy hinter dem Rücken ihres Mannes trieben. Sie wollte einfach nur helfen, den Vergewaltiger zu fassen, ihre Story schreiben und dann nichts wie weg nach New York.
“Es geht mir gut”, versicherte Lucky dem Detective. “Es wird mir sogar noch besser gehen, wenn du in den nächsten Tagen mit mir essen gehst.”
Lucy lächelte ihn kurz an, warf dann Syd einen Blick zu. Wenigstens ihr war bewusst, dass sie nicht allein waren. “Du hast meine Telefonnummer”, sagte sie. Dann setzte sie sich an den Besprechungstisch am Fenster. “Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun. Wir müssen über unsere Zusammenarbeit sprechen, über unsere Regeln – und über euer Team.”
Lucky ließ sich ebenfalls am
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