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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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gemocht. Nimm nicht ständig diese schwarzen Sachen, wir haben Sommer!
         Wenn ich ihn mit einer Frau zusammenbringen wollte, musste er etwas weniger bedrückendes anziehen. In seiner Trauerkleidung wirkte er wie ein gramgebeugter Witwer und nicht wie ein trendiger Gothic.
         Plötzlich musste ich an Bea denken. Auch sie trug ausschließlich schwarz, aber dennoch lagen bei ihr die Dinge anders: Sie tat es aus Spaß, bei meinem Mann war es ein Zwang. Einen Augenblick verharrten meine Gedanken bei ihr. Ich hatte sie gar nicht gefragt, warum sie ihren Krimi ausgerechnet auf dem Friedhof und nicht in einem Park schrieb. Wollte sie einem Verstorbenen nahe sein, oder war es eine ihrer Marotten? Ich riss mich aus meinen Überlegungen und konzentrierte mich wieder auf Gregor, der noch immer unschlüssig vor dem Schrank stand.
         Nimm die ausgewaschene blaue Jeans mit den Knöpfen und ein weißes T-Shirt!
         Ich sah, wie sehr seine Hand zitterte, als er sie nach der Hose ausstreckte. Zweimal zuckte sie zurück, aber heute blieb ich hart. Wenn man ein Enthaarungspflaster abriss, musste man es mit einem Ruck machen und nicht millimeterweise. Ein Ruck, ein durchdringender Schmerz, der einem die Tränen in die Augen schießen und einen Schrei ausstoßen lässt. Aber nach einem Moment war der Schmerz verflogen, und man freute sich, weil es vorbei war. Genau so würde ich es nun mit Gregor machen. Er hatte sich ein ganzes Jahr lang mit meinem Tod gequält und nichts überwunden. Jetzt musste ich ihm offenbar noch einmal ordentlich wehtun, doch dann würden seine Wunden hoffentlich verheilen. Heute war Auf- beziehungsweise Ausräumen angesagt und ab morgen würde ich mit ihm auf Brautschau gehen.
         Jetzt zieh dich endlich an, und dann hol die großen blauen Säcke aus der Küche und räum Lucys Wäsche aus! Sie würde es so wollen.
         Im Schneckentempo schlüpfte mein Mann in die von mir verlangte Jeans und dann in das weiße T-Shirt. Während er die Müllsäcke holte, überlegte ich, ob wir ein paar von meinen Sachen an Freundinnen verschenken sollten. Angesichts des Bergs Arbeit, der vor uns lag, entschied ich mich jedoch dagegen. Gregor kam wieder herein. Zögerlich riss er den ersten Müllsack von der Rolle und faltete ihn auseinander.
         Wunderbar. Los geht's. In den kommen Lucys Schuhe.
         Der Sack war im Nu so schwer, dass wir einen zweiten und dann sogar einen dritten nehmen mussten. Irgendwie war mir das richtiggehend peinlich. Ich hatte nie bemerkt, dass ich so viele Schuhe hatte. Danach folgten Sack um Sack meine Dessous, Strümpfe, Hosen, Röcke, Kleider, T-Shirts, Pullover, Jacken.
         Bei ein paar besonderen Stücken musste ich schwer an mich halten, um Gregor nicht die flehentliche Bitte zu senden, sie vor dem Reißwolf zu verschonen. Ich hatte nicht erwartet, dass es mir selbst dermaßen wehtun würde, mich von den Sachen zu trennen. Es war, als würde auch mir in dem Moment unwiderruflich klar, dass ich hier nicht mehr hingehörte. Ich war nur noch Gast im eigenen Haus. Ein Besucher auf Zeit, der hier nicht mehr lebte.
         Was ich so handstreichartig hatte machen wollen, zog sich schlussendlich mehrere Stunden lang hin. Mir knurrte der Magen, Gregor konnte es nicht besser gehen.
         Jetzt ist erst mal eine Pause angesagt. Du hast doch sicher Hunger. Wie wäre es mit einem schönen selbstgemachten Müsli mit frischem Obst? Anschließend bringst du die Säcke weg und danach kochst du ein anständiges Essen.
         Gesagt, getan. Entweder hatte mein Göttergatte ebenso großen Hunger oder er ergriff die sich ihm bietende Chance beim Schopf, um aus dem Schlafzimmer zu flüchten, das mittlerweile voller blauer Säcke war.
         Wenn du schon runter gehst, kannst du gleich die ersten Tüten mitnehmen! , hielt ich ihn am Treppenabsatz auf. Artig machte er kehrt und kam dann, zwei Säcke in jeder Hand tragend, zurück. Ich hätte ihm gerne geholfen, denn schließlich waren es meine Kleider, aber es ging nicht: Hätten auf wundersame Weise plötzlich alle Tüten unten in der Diele gestanden, wäre es ihm aufgefallen, und er hätte sich wieder Gedanken um seinen Geisteszustand gemacht.
     
    Nach dem Frühstücksmüsli, das Gregor zu einer Uhrzeit zu sich nahm, zu der andere Menschen den sonntäglichen Rinderbraten genossen, trug er sämtliche Säcke zu unserem Auto. Insgesamt waren es zweiunddreißig Stück. Nun ja, es wäre wahrscheinlich

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