Lucy im Himmel (German Edition)
durchdringende Geräusch im Wohnzimmer begann von neuem. »Hörst du das?«, fragte sie.
»Was?« Gregor schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen prüfend an.
»Das Läuten unten im Erdgeschoss.«
»Nein, Bea. Ich höre nichts außer dem leisen Tuten aus dem Hörer.«
»Irgendwo im Haus klingelt ein Handy«, beharrte sie.
»Das einzige, das es außer deinem hier noch gibt, habe ich in meiner Hosentasche.«
»Aber ich spinne doch nicht!« Mit einem Mal stiegen Bea Tränen der Wut in die Augen. Sie versuchte aufzustehen, aber er hielt sie fest.
»Komm, bleib liegen. Du brauchst lediglich ein bisschen Ruhe und dann –«
»Ich bin nicht verrückt«, fauchte sie. »Ich höre, was ich höre!« Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber je mehr sie gegen ihn ankämpfte, desto fester hielt er sie. »Lass ... mich ... los!«, schrie sie ihn schließlich an. Er gehorchte jedoch nicht.
Stattdessen murmelte er leise: »Wir sollten wohl besser zurück in die Klinik fahren.«
Das war der Moment, an dem ich nicht mehr länger zuschauen konnte. Es brach mir das Herz, die beiden so an den Rand ihrer nervlichen Belastbarkeit getrieben zu haben. Ich zog den Tarnmantel aus und flüsterte Beas Namen.
»Lucy!« Sie fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch. Als ob das nicht schon genügt hätte, sah sie meinen Mann an und fragte: »Ist das nun deine Frau oder nicht?«
Gregor schaute mit einem schnellen Blick durchs Zimmer, als erwarte er tatsächlich jemanden zu sehen. Dann schüttelte er den Kopf. »Da ist niemand, Bea.«
»Aber Lucy steht doch genau am Ende vom Bett neben deinen Füßen!«
»Bea, ich ruf jetzt einen Arzt. Du brauchst etwas, damit du dich wieder beruhigst. Möglicherweise verträgst du den Wirkstoff von dem Schmerzmittel nicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass du auf irgendeinem Drogentrip bist.«
»Quatsch! Ein Doktor ist völlig überflüssig.«
»Psst!« Ich legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen und sah Bea an. Sofort wurde sie still. Danach fixierte ich Gregor mit meinem Blick. Bea geht es gut. Sie braucht kein Beruhigungsmittel. Gib ihr einfach ein paar Minuten Zeit. Ich musste es ihm zweimal suggerieren, bis er das Handy endlich wegsteckte.
»Bea, hör mir jetzt genau zu.«
»Was –«
Ich hob die Hand. »Wir haben nicht viel Zeit. Stell bitte keine Fragen. Ich werde es dir später genauer erklären, aber nun ist es wichtig, dass du Gregor nicht weiter verunsicherst.«
»Warum –«
»Bea, er kann mich weder sehen noch hören. Ich bin so etwas wie ein Engel.«
Schlagartig war sie still.
»Ich bin tatsächlich vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Allerdings hat mich der Erzengel vor zwei Wochen mit einer Mission auf die Welt zurückgeschickt. Das Problem ist: Von den sieben Milliarden Menschen bist du die Einzige, die mich sehen kann.«
»Und wie lässt sich das ändern?«
»Gar nicht.«
»Du musst deinem Mann aber zeigen, dass du hier bist, sonst hält er mich für verrückt.«
»Das kann ich nicht.«
»Doch! Geh zum Fenster und mach es auf.«
Hektisch schaute ich zwischen den beiden hin und her. Gregor begann erneut, nach seinem Handy zu kramen. Ich fixierte ihn mit meinem Blick: Bea geht es gut. Sie ist nicht verrückt. Es gibt Dinge, die man nicht sehen kann, die aber trotzdem existieren. Pass auf und fürchte dich nicht . Ich ging zum Fenster und öffnete es sperrangelweit. Die warme Sommerluft drang herein. Mein Schatz zuckte merklich zusammen.
»Und nun geh zum Kleiderschrank und öffne sämtliche Türen.«
Ich tat auch dies.
»Als Nächstes nimmst du bitte dein Foto vom Nachtkästchen und stellst es auf die Kommode dort drüben.«
Auch das erledigte ich für sie.
»Glaubst du mir jetzt?« Bea blickte Gregor flehentlich an. »Lucy ist wirklich hier. Sie hat mir gesagt, dass du sie nicht sehen und hören kannst, weil sie ein Engel ist.«
Gregor reagierte nicht.
»Sag ihm, er soll dich etwas fragen, was nur er und ich wissen. Ich werde es beantworten, vielleicht glaubt er uns dann.«
Bea wiederholte für ihn, worum ich gebeten hatte.
»Welchen Kosenamen hat mir Lucy gegeben?«,
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