Lucy in the Sky
liegt ein Abgrund. Ich fühle mich scheußlich, als ich einschlafe.
Am Dienstag gibt es keinen großen Fortschritt. Ich kontaktiere Nathan nicht, und er lässt auch nichts von sich hören. Keine Ahnung, was noch alles kommt, es ist ein beschissenes Desaster. Wieder einmal verfluche ich mich, dass ich James meine Gefühle für Nathan gestanden habe, aber was hätte ich denn tun sollen? Na gut, ich hätte nicht bei Nathan im Zimmer einschlafen dürfen. Warum hab ich das auch gemacht?
Chloe und Gemma versuchen mich zum Lunch zu überreden, aber ich habe zu viel zu tun und damit eine akzeptable Ausrede. Als Chloe wieder anfängt, mich per E-Mail mit Fragen über Nathan zu nerven, wimmle ich sie ab. Irgendwann muss ich es ihr erzählen, aber jetzt habe ich überhaupt keine Lust dazu.
Am Mittwoch geht es mir ein bisschen besser. James und ich haben einen wenn auch etwas wackligen Waffenstillstand geschlossen. Er hat mich gefragt, ob ich gestern mit Nathan telefoniert habe, und ich konnte das wahrheitsgemäß verneinen.
Wieder wollen die Mädels mit mir essen gehen, aber ich rede mich wieder mit der Arbeit raus. Als ich abends um halb sieben das Büro verlasse, läuft Chloe mir nach.
»Lucy! Warte doch«, ruft sie. »Was ist denn los? Warum bist du so unglücklich?«, keucht sie, als sie mich eingeholt hat. »Geht es um Nathan? Oder um James?«, beharrt sie.
»Um beide«, antworte ich.
»Wollen wir nicht zusammen auf einen Drink gehen?«, fragt sie, und ich werde unsicher. »Komm doch«, ermuntert sie mich.
In einem dunklen, schäbigen Pub setzen wir uns mit unserem Wein an einen Tisch, und ich beginne zu erzählen. Sie hört geduldig zu.
»Ach du Scheiße«, sagt Chloe, als ich fertig bin. »Was für ein
Albtraum.«
»Mhm.«
»Was willst du jetzt machen?«, fragt sie. »Triffst du dich wieder mit Nathan?«
»Ich weiß es nicht«, antworte ich mit einem müden Schulterzucken.
»Lucy! Sprich mit mir! Verschließ dich doch nicht so«, drängt sie. »Was geht dir denn durch den Kopf?«
»Mir geht durch den Kopf, dass alles komplett und absolut beschissen ist!« Auf einmal bricht es aus mir heraus. »Ich hab mich verliebt in einen dreiundzwanzigjährigen, nein, vierundzwanzigjährigen Surfer und Bauarbeiter oder was zum Teufel er auch immer ist, der gut von einem andern, blöden Planeten stammen könnte! Ich hab kein Vertrauen zu meinem bescheuerten Freund und weiß nicht mal richtig, warum. Und das ist doch die Ironie schlechthin, oder nicht? Denn ich bin diejenige, die mit dem Gedanken spielt, ihn zu betrügen!«
»Himmel«, sagt Chloe nur und schaut mich mit großen Augen an.
Ich hole tief Luft, sehe sie traurig an und lasse den Kopf dann in meine rechte Hand sinken.
»Hey.« Sie tätschelt über den Tisch hinweg meine andere Hand. »Es wird alles wieder gut.«
Ich reagiere nicht. Sie zögert.
»Du denkst nicht wirklich daran, James zu betrügen, oder?«
»Nein.« Doch. Vielleicht.
»Gut. Denn das würde alles nur noch schlimmer machen,
das kannst du mir glauben.«
»Ich weiß.« Natürlich weiß ich das. Aber ich weiß auch, dass ich Nathan in Sydney geküsst hätte, wenn er den ersten Schritt gemacht hätte. Ich finde diese Erkenntnis nicht sonderlich sympathisch.
Am Donnerstag schleppen Gemma und Chloe mich praktisch mit Gewalt zum Lunch, trotz meiner Proteste, dass ich nach wie vor zu viel zu tun habe. Dann sitzen wir im Café und bestellen Sandwichs. Die beiden sehen mich seltsam an. »Was ist los?«, frage ich nervös.
Jetzt wechseln sie bedeutungsvolle Blicke.
»Was ist?«
»Hmm … hat James eine Schwester?«, fragt Gemma schließlich.
»Nein, er ist Einzelkind. Warum?«
»Es ist nur so, dass … «
»Was denn? Jetzt redet doch endlich!«
Chloe ergreift das Wort. »Tut mir leid, ich hätte dir das schon gestern Abend sagen sollen, aber ich konnte es einfach nicht. Gemma hat James am Sonntagmorgen auf Primrose Hill mit einem großen dunkelhaarigen Mädchen gesehen. Sie haben … na ja, sie sahen irgendwie so aus, als seien sie zusammen.«
»Wie meinst du das?«
»Er hatte … «, setzt Gemma an, und ich nicke, um sie zum Weitermachen zu ermuntern. »Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Sie saßen auf einer Bank … «
Ich fühle mich, als hätte mir jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst. »Wie sah sie aus?«
»Groß, schlank, lange dunkle Haare … «, beschreibt Gemma das Mädchen zögernd.
»Ich dachte irgendwie … «, schaltet Chloe sich ein.
»Ja?«
»Ich
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