Lucy in the Sky
bringe dich nach Hause.«
Ich will ihn nicht loslassen, aber er steht einfach auf.
Er findet einen Parkplatz vor unserem Haus und löst seinen Sicherheitsgurt. Ich bleibe sitzen.
»Lucy?« Er geht um den Wagen herum, macht die Beifahrertür für mich auf und nimmt meine Hand, um mir beim Aussteigen zu helfen. Während wir die drei Stockwerke nach oben steigen, lässt er meine Hand nicht los. Vor unserer Tür nimmt er mir die Handtasche ab, sucht meinen Schlüssel und schließt auf.
In der Wohnung ist es ganz still. Wahrscheinlich ist James noch bei Zoe.
Ich sitze einfach nur da, während Nathan mir Tee kocht, und frage mich, warum meine Bridget-Jones- DVD verkehrt herum im Regal steht. Außerdem fällt mir auf, dass auf dem Couchtisch ein ringförmiger Fleck ist. Bestimmt hat James mal wieder vergessen, einen Untersetzer zu benutzen. Oder ich.
Nathan stellt den Becher mit Tee vor mich hin. Dann setzt er sich neben mich und nimmt wieder meine Hand.
»Lucy, ich mach mir Sorgen um dich«, sagt er. »Lass es mich nochmal bei James versuchen.« Ich nicke langsam. Er holt das Handy aus meiner Handtasche und drückt die Wahlwiederholung. Nach einer Weile legt er auf und wählt dann noch einmal.
»Keine Sorge«, sage ich. »Das ist okay. Er kommt zurück, wenn er zurückkommt.«
Erleichtert schaut Nathan mich an. Wenigstens habe ich etwas gesagt. »Wann ist die Beerdigung?«, fragt er.
»Am Dienstag.«
»Wow, das ist aber schnell.«
»Er ist ja schon vor drei Wochen gestorben. Man hat so lange gebraucht, seine Familie ausfindig zu machen.« Meine Stimme klingt irgendwie hohl.
»Wird er in Manchester beerdigt? Kommt James mit zur Beerdigung?«, fragt er weiter.
Ich nicke auf beide Fragen.
»Gut. Aber falls er doch nicht kann, aus welchem Grund auch immer, sag mir bitte Bescheid, dann fahr ich dich hin«, sagt er.
»Danke, das ist sehr nett von dir.« Zum ersten Mal seit Mums Anruf sehe ich ihn richtig an, und sofort steigen mir wieder die Tränen in die Augen.
»Ist schon gut«, tröstet er mich. »Ist schon gut.«
Ich strecke mich aus und lege meinen Kopf auf seinen Schoß. Er streicht mir über die Haare, während mein Atem sich allmählich beruhigt.
»Was zum Teufel ist denn hier los?« Beim Klang von James’ Stimme wachen Nathan und ich schlagartig auf. Anscheinend sind wir wieder eingeschlafen. O Gott.
Vorwurfsvoll sieht James auf uns herunter. Nathan steht auf, aber James weicht ihm nicht aus, und für einen Moment sieht es so aus, als würde er sich gleich auf ihn stürzen.
»Mein Vater ist gestorben!«
»Was?« James drängt sich an Nathan vorbei zu mir.
»Mein Vater ist gestorben«, wiederhole ich.
»Ach Süße«, sagt er und nimmt mich in den Arm.
»Ich konnte dich nicht erreichen!«, schluchze ich.
»Das tut mir so leid, Süße!«
Ich mache mich los und sehe zu Nathan hinüber, der verlegen neben dem Couchtisch steht.
James folgt meinem Blick. »Danke, dass du dich um sie gekümmert hast«, sagt er.
»Kein Problem«, erwidert Nathan und deutet zur Tür. Ich nicke ihm zu. »Ruf mich an, wenn du irgendwas brauchst, okay?«, sagt er.
»Mach ich.«
Als er gegangen ist, fühle ich mich für einen Moment ganz verloren. Nathan war so nett zu mir heute, und James hat sich wie ein Arsch benommen. Ich bin am Boden zerstört, versuche aber, James alles zu erzählen, was Mum mir gesagt hat. »Süße, du musst da nicht hin«, sagt er, als ich erwähne, dass ich zu der Beerdigung möchte. »Du solltest dir das nicht antun.«
»Doch, ich möchte hinfahren, James. Kommst du mit?«
»Schatz«, meint er mit bekümmertem Gesicht, »ich weiß nicht, wie ich das hinkriegen soll. Dienstag und Mittwoch haben wir eine Konferenz, bei der ich absolut nicht fehlen kann. Aber du willst doch gar nicht wirklich zu dem Begräbnis, oder, Lucy?«
»Nein, ich will nicht, James. Aber ich gehe trotzdem.«
»Kommt deine Mum auch?«
»Keine Ahnung, aber ich frage sie.« Dann wende ich mich ab.
Meine Mum möchte nicht beim Begräbnis dabei sein, und ich dränge sie auch nicht. Sie fühlt sich schrecklich, aber nach all den Jahren und nach dem Leid, das er ihr zugefügt hat, bringt sie es einfach nicht über sich. Sie möchte eigentlich auch nicht, dass ich hingehe, aber sie versteht, dass ich es tun muss. Vielleicht als Wiedergutmachung dafür, dass ich nicht beim Begräbnis meiner Großmutter war. Damals wollte ich meinen Vater nicht sehen. Aber jetzt muss ich mir darüber nie wieder Gedanken
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