Lucy in the Sky
muss.
Es gibt mir einen Stich zu sehen, wie selbstverständlich sich Amy im Haus meiner besten Freunde bewegt. Zwar behauptet Nathan steif und fest, dass sie nicht seine Freundin ist, aber sie benimmt sich so. Irgendwie sonderbar.
Im Bad sehe ich in den Spiegel und zucke erschrocken zurück. Im Vergleich zu der hübschen Blondine da draußen sehe ich aus wie irgendwas, was man aus dem Gebüsch gezogen hat. Wieder geht mir der Gedanke durch den Kopf, dass Nathan mich bloß als große Schwester sehen könnte. Wie demütigend. Aber dann habe ich Herzklopfen, als ich mich daran erinnere, wie er mir forschend in die Augen geschaut hatte. Moment mal, er hat sogar den Arm um mich gelegt! Und mir die Haare aus dem Gesicht gestrichen! Das ist doch schon ziemlich intim, oder etwa nicht? So benimmt man sich eigentlich nicht einer großen Schwester gegenüber.
Oder doch? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich habe das schreckliche Gefühl, dass ich womöglich mehr aus der Sache mache, als wirklich da ist, nur um mich von meiner eigenen verfahrenen Situation abzulenken. Tja, ich hätte wohl Psychologin werden sollen.
Mir fällt wieder das Gespräch mit James von gestern Abend ein. Ich war ziemlich abweisend. Und ich frage mich natürlich, was er für mich gekauft hat. Ich sollte ihn anrufen, denke ich unglücklich.
Dass Amy und vor allem Nathan mich in diesem Zustand gesehen haben, begeistert mich nicht. Deshalb bin ich fest entschlossen, mich jetzt umso hübscher zurechtzumachen, dann in die Küche zurückzugehen und ganz entspannt mit den anderen zu plaudern. Ich schäme mich, dass ich vorhin so zickig war. Schnell wasche und föhne ich mir die Haare und knete ein bisschen Haargel in meine Naturlocken. Normalerweise werden sie zwar nicht krisselig, aber das Gel ist sozusagen meine Versicherung gegen die Seeluft. Ich trage etwas von der getönten Feuchtigkeitscreme auf, die Mum mir zu Weihnachten geschenkt hat, dann noch Lipgloss und ein bisschen Mascara. Ich wickle mich in mein Handtuch, spähe in den Flur und hechte in mein Zimmer.
Da es so aussieht, als würde es wieder richtig heiß werden, ziehe ich das rot-weiße Kleid von H & M an und schnüre mir die Riemchen meiner Lieblingssandaletten um die Knöchel. Nicht schlecht, denke ich, als ich mich jetzt im Spiegel betrachte. Dann gehe ich in die Küche.
So ein Mist. Amy ist natürlich schon weg!
Kapitel 5
»Du siehst aber hübsch aus«, ruft Molly überschwänglich, als ich in die amyfreie Küche trete. »Das Kleid gefällt mir echt gut!«
Sam ist nirgends zu sehen. »Ist Sam etwa schon arbeiten gegangen?«, frage ich.
»Ja, Amy bringt ihn zu Fähre. Wie findest du sie? Sie ist toll, oder?« Molly strahlt, aber ihre Begeisterung ist definitiv nicht ansteckend.
»Ja, sie scheint sehr nett zu sein.« Ich weiß, dass ich nicht überzeugend klinge, aber Molly scheint das nicht zu bemerken.
»Ehrlich, ich kann gar nicht verstehen, warum sie und Nathan nicht über beide Ohren verliebt sind. Sie wären ein perfektes Paar.«
»So wie sie über ihn redet, hört es sich aber an, als wären sie zusammen.«
»Ich glaube nicht. Na ja, ich weiß es nicht genau. Vielleicht schon.«
»Na ja, was er an ihrem Geburtstag alles für sie gemacht hat … «
Molly sieht mich fragend an.
»Du weiß schon, das Picknick mit Hummer und Sekt am Strand und alles.«
»Ach das! Wie Nathan davon erzählt hat, klang es eher nach einer Beachparty.«
Ein Hoffnungsschimmer …
»Echt? Ich dachte, er hätte das alles nur für sie arrangiert.«
»Du machst Witze, oder?«, schnaubt Molly. »Nathan könnte nicht mal ein Besäufnis in einer Kneipe organisieren. Er ist hoffnungslos. Nein, ich denke, da musst du irgendwas falsch verstanden haben.«
Jetzt bin ich verwirrt. Bei Amy klang das total romantisch, nur sie und Nathan. Ist sie womöglich eifersüchtig auf mich? Das kann doch nicht sein, so wie ich heute Morgen ausgesehen habe.
Ich setze mich zu Molly an den Frühstückstisch, während sie ihren Toast isst. Ich bin noch satt von Nathans Omelett.
»Er hat dir ein Omelett gemacht?« Molly kreischt förmlich, als ich ihr davon erzähle. Anscheinend hat sie keine sehr hohe Meinung von ihrem zukünftigen Schwager. Ich lache mit ihr, weil ich Angst habe, dass sie sonst Verdacht schöpft. »Im Ernst, Sam hat sich Sorgen gemacht, als er deinen Zettel heute früh gefunden hat. Und ich war auch erleichtert, als du wieder zur Tür hereinkamst.«
»Warum?«, frage ich
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