Lucy in the Sky
aber vor der Tür mit der Nummer 7 bleibt er stehen und wartet auf mich.
Er schließt auf, und wir gehen in die Wohnung. Es ist dunkel, die Vorhänge sind noch zugezogen. Schließlich ist es ja grade mal 8 Uhr – anscheinend ist Amy noch nicht wach. Als Nathan die Vorhänge aufzieht, ergießt sich das Morgenlicht in das kleine Wohnzimmer und fällt auf Teppiche im Siebzigerjahre-Stil mit dazu passenden wild gemusterten Vorhängen in Braun und Orange. Wahrscheinlich würde jeder andere Mensch sich deswegen entschuldigen, aber Nathan sagt nichts dazu, und sein Selbstvertrauen lässt ihn viel älter wirken als seine dreiundzwanzig Jahre. Ich sehe mich in der Wohnung um und bemerke einen Flur, der nach hinten führt. Wahrscheinlich sind da die Schlafzimmer.
»Kann ich dein Zimmer sehen?«, höre ich mich fragen.
»Na klar.« Er geht wieder voraus, vorbei an einer geschlossenen Tür. Ob da Amy schläft? Seine Tür dagegen steht weit offen. »Ist ein bisschen chaotisch«, sagt er, und das ist nicht gelogen. Jeans, Shorts, T-Shirts und Kapuzenpullis quellen aus offenen Schubladen hervor, an dem nicht gemachten Doppelbett lehnt eine Gitarre. Auf der einen Seite eines hölzernen Toilettentischs stapeln sich Bücher und Zeitschriften zu gefährlich hohen Türmen, daneben thront ein alter Fernseher. Auf dem Boden neben dem Bett steht ein tragbarer CD -Kassettenspieler, daneben liegt ein Wirrwarr von CDs und Kassetten. Außer diesen Dingen scheint Nathan nicht viel zu besitzen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, erklärt er: »Ich hab viel weggegeben, bevor ich rumgereist bin, und irgendwie hatte es dann keinen Sinn, viel Neues zu kaufen.«
»Wann bist du denn rumgereist?«
»Ach, schon ein paar Mal. Von meiner letzten Reise bin ich erst vor ein paar Monaten wieder zurückgekommen.«
»Wo warst du denn?«
»Na ja, in Indonesien und Thailand, aber ich war auch schon mit dem Rucksack durch Australien unterwegs. Als ich das letzte Mal weg war, hab ich einfach ein paar Monate auf verschiedenen Baustellen an der Küste gearbeitet, bin gesurft, hab Obst gepflückt – lauter solche Sachen.«
Ich setze mich auf das ungemachte Bett und nehme die Gitarre hoch. »Kannst du spielen?«, fragt er interessiert.
»Nein, ich doch nicht.« Aber ich schlage trotzdem ein paar Akkorde an.
»Hör auf, das klingt schrecklich!«, lacht er.
»Na, dann spiel du mir doch was vor.«
Er setzt sich neben mich, nimmt mir die Gitarre ab und schlägt die langen schlanken Beine unter. Seine dunklen Haare sind noch feucht vom Surfen.
»Eines Tages werde ich eine eigene Wohnung haben«, sagt er, einen Arm lässig über die Gitarre gelegt. Aber er fängt nicht an zu spielen.
Jetzt ziehe auch ich die Beine hoch, imitiere sozusagen seine Körpersprache und wende mich ihm zu.
»Aber ich bin noch nicht entschieden, ob oder wann ich das nächste Mal verreisen werde.«
»Hast du jemals daran gedacht, nach England zu kommen?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Nein, eigentlich nicht, aber wer weiß.«
»Du solltest mal darüber nachdenken.«
»Bisschen kalt, oder?«
»Es ist eigentlich gar nicht so schlimm«, entgegne ich. »Der Sommer kann sogar wunderschön sein. Und im Winter gibt es nichts Schöneres, als es sich mit einem Bier vor dem offenen Kamin gemütlich zu machen. Na ja, ich trinke kein Bier«, korrigiere ich mich, »aber ein Glas Rotwein geht natürlich auch … «
»Oder Wodka … «, fällt er mir ins Wort.
»In nächster Zeit lieber nicht, danke. Der Kater war echt übel.«
Er grinst.
Jetzt fällt mir auf, dass viele der Bücher, die neben dem Fernseher stehen, mit Design und Immobilien zu tun haben.
»Die sind von meinem Dad«, erklärt er, als er meinen Blick bemerkt. »Das war das Einzige, was ich von seinen Sachen wirklich haben wollte.«
»Was ist mit dem Boot passiert?«, frage ich und bereue es sofort.
»Das haben wir verkauft«, antwortet er schroff.
»Entschuldige, ich wollte nicht … Manchmal rede ich einfach drauflos, ohne nachzudenken.«
»Schon okay.« Er lächelt wieder.
»Und was hast du vor? Mit deinem Leben, meine ich.« Hoffentlich wirken meine persönlichen Fragen nicht allmählich etwas aufdringlich. Aber bis jetzt scheint es ihm nichts auszumachen.
»Das weiß ich noch nicht so richtig. Sam war sich immer sicher, was er wollte. Schon als Kind war er am liebsten mit Mum draußen im Garten. Ich komme wahrscheinlich mehr auf meinen Vater.«
»Das heißt Architektur?«
»Nein, das nicht. Dafür bin ich zu
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