Lucy in the Sky
irritiert.
»Nathan ist einfach kein verantwortungsbewusster Mensch. Dir hätte leicht was passieren können.«
»Ich kann schwimmen, weißt du.« Ich versuche, nicht allzu schnippisch zu klingen. »Und er hat sich total nett um mich gekümmert.«
Molly zieht die Augenbrauen hoch, lässt das Thema aber auf sich beruhen. Aber ich muss doch nochmal nachhaken. »Ich weiß, dass Sam das Meer nicht mehr mag, deshalb verstehe ich, dass er nervös ist.«
»Wer hat dir das denn erzählt?«, fragt sie verblüfft. »Amy?«
»Nein, Nathan«, antworte ich und erkläre schnell: »Er hat bloß gesagt, dass er immer noch gern surfen geht, auch nach dem Tod seiner Eltern.«
»Er hat mit dir darüber gesprochen?«
»Ja«, bestätige ich mit einer gewissen Befriedigung.
»Nathan redet nie über seine Eltern, niemals. Das überrascht mich jetzt echt. Wie lange seid ihr beiden neulich abends nochmal zusammen aufgeblieben?«, bohrt sie weiter.
»Weiß ich nicht so genau.«
»Hmm«, ist alles, was sie dazu sagt.
»Noch eine Tasse Tee?«, frage ich munter und fest entschlossen, das Thema zu wechseln.
Am nächsten Tag ist Samstag, und endlich ist es so weit: Mollys und Sams Junggesellinnen- beziehungsweise Junggesellenparty. Wie die Jungs es handhaben, weiß ich nicht, aber der Plan für die Mädels lautet, dass wir uns am späten Nachmittag am Circular Quay treffen. Insgesamt sind wir neunzehn Mädels, unter anderem Mollys Chefin Sandra und noch eine weitere Kollegin von der Arbeit – Bea –, zwei von Mollys Unifreundinnen, die ich nicht kenne, und auch noch ein paar von unseren alten Mitschülerinnen.
Um vier soll Amy uns abholen: Molly, Sam und mich. Sie fährt uns zur Fähre, damit wir nicht auf unseren hohen Absätzen den Hügel hinunterstöckeln müssen. Die Jungs wollen Bungeejumping machen – Gott steh ihnen bei! – und danach in einen Club oder eine Kneipe.
Mir ist heute nach etwas Schlichtem zumute, und ich entscheide mich für das kleine Schwarze. Dazu trage ich Schuhe mit kleinen Pfennigabsätzen. Die Haare lasse ich offen, sodass sie in sanften Wellen über meine Schultern fallen. Nathan hat mich noch nie geschminkt gesehen, also gehe ich heute Abend in die Vollen. Ich nehme an, dass er mit uns zur Fähre kommt.
Ich nehme goldenen Lidschatten, der die bernsteinfarbenen Fleckchen in meinen Augen gut zur Geltung bringt, und umrande die Lider mit schwarzem Kajal, ehe ich zwei Schichten wimpernverlängernde Mascara auftrage. Dazu kommt rosa Rouge auf die Wangenknochen, Lipliner, Lippenstift und obendrüber noch ein bisschen schimmernder Lipgloss. Schließlich trete ich einen Schritt zurück und betrachte mein Werk. Ja, das reicht. Inzwischen bin ich schön gebräunt, sodass ich nicht mehr viel Farbe brauche. Jetzt noch ein Spritzer Parfüm. Dann schnappe ich mir meine Handtasche.
Sam stößt einen schrillen Pfiff aus, macht große Augen, und ich schenke ihm ein Lächeln. Er trägt ein schokobraunes Hemd, das locker über seiner schwarzen Khakihose hängt.
»Lucy, hi!« Aus dem Wohnzimmer erscheint Amy in einem kurzen schwarzen Minirock und einem anthrazitfarbenen T-Shirt, auf dem vorn in pinkfarbenen Glitzersteinchen das Wort » BABE « prangt. Ihre blonden Haare fallen ihr lang und glatt über den Rücken. Auf einmal fühle ich mich overdressed, aber dann erscheint zum Glück Molly unten an der Treppe, und sofort geht es mir besser.
»Hat die Party etwa schon ohne mich angefangen?«, fragt sie. Sie trägt ein weit ausgeschnittenes, hautenges rotes Kleid. Umwerfend.
»Damit solltest du lieber nicht ausgehen«, warnt Sam, »sonst muss ich meine Junggesellenparty leider absagen und dich stattdessen als Bodyguard begleiten.« Er legt den Arm um sie.
»Ach, du Scherzkeks!«, kichert sie.
»Du siehst toll aus«, schwärmt Amy. Eigentlich wollte
ich
das gerade sagen. »Sind wir alle fertig?«, fragt sie.
Wo ist Nathan?
Wir quetschen uns ins Auto, und Sam schließt hinter uns die Haustür ab. Unfähig, meine Neugier zu unterdrücken, frage ich nach Nathan. Amy erklärt, dass er uns am Anleger trifft, weil es sonst zu voll im Auto geworden wäre. Puh.
Die nächste Fähre soll in fünf Minuten ablegen, aber als ich mich nach Nathan umsehe, kann ich ihn nirgends entdecken.
Wir kaufen unsere Tickets und gehen durch die Sperre, als die Fähre angetuckert kommt. Männer in Uniform klappen die Gangway aus, und die Passagiere strömen auf den Kai.
»Wollt ihr ohne mich losfahren?«, sagt eine tiefe Stimme in mein
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