Lucy in the Sky
Fast alle in dieser Gruppe sind einfach auf einer ganz anderen Wellenlänge als ich, und ich fühle mich immer mehr wie eine Außenseiterin, auch weil sie seit Stunden zusammensitzen und trinken und ich ihren Vorsprung niemals mehr aufholen kann. Wenn ich doch endlich in die Villa zurückgehen und ins Bett fallen könnte. Nach einer Weile sage ich James, dass ich nicht mehr kann.
»Soll ich dich begleiten?«, fragt er. Ja, das wäre schön, denke ich.
»Ja, ich komme mit dir«, fährt er mit fester Stimme fort, ehe ich antworten kann.
Wir werden von den anderen ausgebuht, während wir uns verabschieden und die Bar verlassen.
»Das war ein bisschen unangenehm«, sagt James, als wir auf der immer noch sehr belebten Straße zurückschlendern.
»Du hättest ja bleiben können«, fauche ich.
»Ich kann dich wohl kaum alleine zurückgehen lassen, oder?«, faucht er zurück.
»Ach, geh doch!«, kontere ich wütend und stürme davon, was auf meinen hohen Absätzen gar nicht so einfach ist. Aber ich habe die Nase gestrichen voll von diesem Tag, von diesem Abend und von James.
»Lucy, warte doch!«, ruft er und rennt mir nach.
»Nein, im Ernst, James, geh zurück und sauf dich mit deinen sogenannten Freunden um den Verstand.« Jetzt bin ich richtig sauer.
»Hey, das ist nicht fair! Sie haben uns eingeladen, und außerdem will ich mich gar nicht um den Verstand saufen.«
Ich sehe ihn durchdringend an.
»Ach, lass mich doch in Ruhe, Lucy.«
»Vielleicht tu ich das auch«, erwidere ich schnippisch, bevor ich wieder davonlaufe.
»Brauchst du vielleicht den Schlüssel?«, brüllt er mir höhnisch nach. Ich bleibe stehen wie angewurzelt. Scheiße! Er kommt mir nach, ohne sich sonderlich zu beeilen. Auf einmal möchte ich am liebsten weinen. Und mit Nathan reden.
»Ach Lucy«, sagt James leise, als er die Tränen in meinen Augen sieht. »Es tut mir leid.«
Ich folge ihm, als er die Gartentür aufschließt und mich am Swimmingpool vorbei zur Haustür führt.
»Du kannst zurückgehen, wenn du willst«, sage ich ganz vernünftig.
»Ich will nicht«, antwortet er.
Um drei Uhr morgens wache ich auf, und James liegt nicht neben mir im Bett. Ich setze mich auf und fahre mit der Hand über das Leintuch und kann immer noch den Sand von seinem gestrigen Strandausflug fühlen. Dann stehe ich auf und tapse leise zur Tür. Draußen im Wohnzimmer höre ich die Stimmen der anderen. Ziemlich leise. Wahrscheinlich sind sie total fertig nach dem Gelage in der Bar. James muss wohl doch zu ihnen zurückgegangen sein. Schließlich klettere ich wieder ins Bett, aber ich bin beunruhigt.
Die nächste Stunde verbringe ich mal schlafend, mal wach, aber als er dann immer noch nicht wieder da ist, werde ich allmählich nervös. Ich stehe wieder auf und gehe zur Tür. Draußen ist jetzt alles still. Wo zum Teufel ist James? Ich will wirklich nicht da raus und ihn vor seinen Freunden blöd anmachen, also krieche ich niedergeschlagen ins Bett zurück. Aber ich kann nicht mehr einschlafen.
Um fünf halte ich es nicht mehr aus. Ich schlüpfe in meine Jeans und das Top, das ich am Abend anhatte, und verlasse das Zimmer. Im Wohnzimmer brennt noch Licht. Leise gehe ich den Flur hinunter und lausche. Nichts. Ich strecke den Kopf hinein und sehe, dass das Zimmer leer ist, bis auf die Bierdosen und Zigarettenkippen, die den kompletten Boden bedecken. Ich spitze die Ohren, weil ich von draußen leise Stimmen zu hören glaube. Vorsichtig spähe ich durch die Schiebetür, die vom Wohnzimmer in den Garten führt. Auf der Treppe sitzen James, Jeremy und Zoe und unterhalten sich leise. Wie es aussieht, ist sonst niemand da. Aber ich habe trotzdem keine Lust, mich zu ihnen zu setzen. Jeremy ist ein Trottel und Zoe ist arrogant. Nach einer Weile schleiche ich zurück ins Bett. Mir ist ganz übel.
Wenn ich doch nur meinen Walkman mit Nathans Tape dabeihätte! Ich stehe wieder auf und suche mein Handy. In Sydney muss es jetzt ungefähr zwei Uhr nachmittags sein.
Sonntag. Wahrscheinlich ist er surfen. Ich schreibe trotzdem eine SMS :
Bin in Spanien mit James und seinen bescheuerten Anwaltsfreunden. Fühle mich absolut fehl am Platz.
Als ich auf »senden« drücken will, überlege ich es mir plötzlich anders. Ich klicke zurück zu der Nachricht und schreibe noch »Vermisse dich«. Dann verschicke ich die SMS mit flattrigem Herzen, starre auf mein Handy und warte. Er ist sicher surfen, er ist sicher surfen, wiederhole ich im Stillen. Eine Minute später
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