Lucy in the Sky
Zeitverschiebung und allem schon nach neun Uhr. James schickt mir eine SMS , dass sie schon unterwegs sind, irgendwo auf der Hauptstraße, die fünf Minuten von der Villa entfernt liegt. Garantiert sind alle blau, bis ich dort bin, und ich werde mich elend und ausgeschlossen fühlen. Außerdem ist Alkohol so ungefähr das Letzte, worauf ich momentan Lust habe. Am liebsten würde ich ins Bett kriechen und schlafen. Ich antworte ihm, ob er mich in einer halben Stunde in der Villa treffen kann, denn so lange wird es dem Taxifahrer zufolge dauern, bis ich dort bin.
Als ich ankomme, ist er nicht da, also setze ich mich auf die Treppe und warte. Nach fünf Minuten schicke ich ihm eine SMS .
»Sorry, sorry«, ruft er, als er kurz darauf den Weg heraufrennt. Er packt meine Hand, führt mich in die Villa und in unser Zimmer. Das Wohnzimmer ist mit leeren Bierdosen und Zigarettenkippen zugemüllt.
»Habt ihr letzte Nacht Party gemacht?«
»Ja.« Er grinst. »War ziemlich verrückt.«
Unser Zimmer hat weiße Wände und weiße Rattanmöbel.
Und ein Doppelbett steht auch da.
»Möchtest du dich umziehen?«, fragt er.
Ich atme heftig aus und lasse mich aufs Bett fallen. »Können wir nicht einfach hierbleiben? Ich bin total fertig.«
»Ach komm schon, Lucy«, meint er aufmunternd. »Es ist echt lustig auf den Straßen hier. Alle sind in Partylaune. Lass uns was trinken gehen!«
»Ich würde alles darum geben, mich mit dir einzukuscheln und ein bisschen allein zu sein … « Ich nehme seine Hand.
»Nein, bestimmt nicht.« Er grinst mich an und zieht mich hoch. »Komm, Süße. Mich kannst du immer sehen. Du willst doch nicht, dass die anderen denken, wir sind Loser.«
»Das ist mir scheißegal«, erkläre ich, merke dann aber, dass es ein bisschen hart klingt, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir hier umsonst wohnen dürfen. »Na gut«, seufze ich.
»Aber erst muss ich duschen.«
Er verdreht die Augen, plumpst aufs Bett und wischt sich über die Stirn. Draußen ist es heiß, und er schwitzt, wahrscheinlich weil er sich auf dem Weg hierher so beeilt hat.
Fünf Minuten später bin ich wieder im Schlafzimmer und zerre mein rot-weißes Sommerkleid von Warehouse aus dem Koffer.
»Hmm … « Er räuspert sich.
»Was denn?«
»Hast du nichts … nichts, was sexy ist?«, erkundigt er sich zögernd. »Die anderen Mädels sind alle ziemlich aufgebrezelt, und damit kommst du dir womöglich etwas zu normal vor.«
»Ach zum Teufel.« Ich setze mich wieder aufs Bett. Ich hab doch kaum was zum Anziehen dabei!
Schließlich leere ich den gesamten Inhalt meiner Tasche auf dem Bett aus, und James sucht ein schwarzes Top mit Spaghettiträgern und Spitzenbesatz aus. »Das würde bestimmt gut zu Jeans aussehen«, meint er.
In meinen Jeans ist mir ziemlich warm, aber er versichert mir, dass die Bar klimatisiert ist. Ich ziehe das Top über und motze das Ganze noch mit einer dicken Silberkette und hohen Riemchensandaletten auf. Dann mache ich mich ans Make-up und entscheide mich für den Vamp-Look: Silbergrauer Glitzerlidschatten und zwei Schichten Mascara. Statt Lippenstift trage ich nur Lipgloss auf. Die Haare lasse ich offen.
»Perfekt!«, grinst James anerkennend und zieht mich aufs Bett. Er legt mir die Hände in die Taille. »Hmm, schön schlank … «
»Das kommt, weil ich immer zu Fuß gehe«, antworte ich.
»Vielleicht sollten wir doch hierbleiben«, meint er und zieht eine Augenbraue hoch. Dann küsst er mich ganz langsam und verführerisch auf die Lippen. Ich schmecke Alkohol, aber es ist nicht unangenehm. Das muss man James lassen – er kann extrem gut küssen.
»Hey, du ruinierst mir meinen Lipgloss«, schimpfe ich sanft.
»Den kannst du doch nachpinseln«, sagt er und dreht mich um, sodass er jetzt oben liegt.
Dann küsst er mich wieder und schmiegt sich an mein Bein. Aber dann richtet er sich plötzlich auf und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
»Komm.« Er seufzt wieder. »Wir müssen zu den anderen.«
Enttäuscht klettere ich vom Bett, lege vor dem Spiegel neuen Lipgloss auf und pudere mir nochmal die Nase. Mein Gesicht sieht nämlich ziemlich erhitzt aus.
Wir machen uns auf den Weg. Die Luft ist angenehm warm, rosa und orange Bougainvilleen wuchern über die weißen Mauern. James hält meine Hand, damit ich auf meinen hohen Absätzen nicht auf dem Kopfsteinpflaster stolpere.
Anscheinend ist heute Abend ganz Spanien unterwegs. Die Bars sind brechend voll, laute Musik dröhnt aus jedem Eingang. Alles
Weitere Kostenlose Bücher