Lucy in the Sky
mitfühlend an. Ja, ja, schon gut, ich hab ein bisschen was getrunken, aber bin ich deshalb gleich ein totaler Freak? Ah, hier ist mein Platz. Wieder am Fenster, super. Jawohl, Sie müssen leider aufstehen. Und ich bin nicht so betrunken, dass ich nicht mitkriege, wie Sie die Augenbrauen hochziehen und vielsagende Blicke mit Ihrer Nachbarin wechseln. Wahrscheinlich haben Sie gedacht, Sie haben einen netten freien Sitz neben sich – so ein Pech aber auch! Diesmal nehme ich meine Tasche lieber mit auf meinen Platz.
Ich lasse mich in meinen Sitz plumpsen und versuche, unter meinem Hintern den Sicherheitsgurt zu finden. Decke … Nein. Kissen … Nein. Wo ist das doofe Ding denn bloß? Ah, hier ist der Gurt! Ich zerre daran, zerre und zerre. Warum bewegt der sich denn nicht? Oh, okay, der Gurt gehört meinem Nachbarn. Sorry, Kumpel. Aber jetzt hab ich meinen auch gefunden. Klick. Mir ist ganz schön schwummrig.
»Ladies und Gentlemen, bitte schnallen Sie sich an, klappen Sie den Tisch vor Ihnen hoch und bringen Sie die Lehne Ihres Sitzes in aufrechte Position … «
Ja, ja, das kenn ich alles. In- und auswendig. Blablabla.
» … Handys dürfen erst wieder benutzt werden, wenn wir sicher am Sydney International Airport gelandet sind, denn Mobiltelefone können die Navigationssysteme der Maschine stören … «
Ja, das kenne ich auch. Hab ich alles schon mal gehört. Uuups, nur ausgeschaltet hab ich mein Handy leider nicht.
Ich komm … nicht … ganz … an die … Tasche …
Der Gurt … ist … zu … eng …
Schließlich löse ich den Verschluss, schnappe mir meine Tasche und fische das Handy heraus. Keine Nachrichten, Gott sei Dank. Ich schalte das Gerät aus und stopfe es in die Tasche zurück. Dann schnalle ich mich wieder an und stoße ein paar tiefe Singapore-Sling-Seufzer der Erleichterung aus.
Unter meinem Kleid schauen meine gebräunten Beine hervor, und ich betrachte sie freudig. Ich mag diese falsche Bräune – sie sieht so hübsch natürlich aus. Aber es ist so nervig, dass man die erste Nacht, nachdem man das Zeug aufgetragen hat, immer in alter Bettwäsche schlafen muss, weil man sonst alles einsaut. Danach muss man sie erst mal waschen, und dann kann man wieder die gute rausholen … also hat man zwei Ladungen Wäsche in zwei Tagen. Na ja, diesmal muss James das Waschen übernehmen. Selbst schuld, er hat mich ja so schnell aus der Wohnung gescheucht.
Hübsche Bettwäsche!
Kaum ist die Bedeutung der Worte in meinem Hirn angekommen, geht mein Magen schon in den freien Fall, und ich frage mich: Woher zum Teufel wussten James’ Kumpels von meiner eingesauten Bettwäsche?
O nein … Sie wussten gar nichts! Weil sie diese SMS nämlich gar nicht geschrieben haben.
Eilig löse ich den Sicherheitsgurt und greife nach meiner Tasche, wobei ich der Rückenlehne sowie der Person im Sitz vor mir einen ordentlichen Tritt versetze. Ich krame das Telefon raus und schalte es ein.
Hi Lucy! Habe gerade mit James in deinem Bett geschlafen. Dachte, das interessiert dich vielleicht. 4 mal diesen Monat. Hübsche Bettwäsche. Xxx
»Miss, Sie müssen Ihr Handy jetzt bitte ausschalten.«
Was denn, haben diese Stewardessen etwa Augen im Hinterkopf?
»Ich kann nicht! Ich muss erst noch einen dringenden Anruf erledigen!«
»Miss, Sie haben die anderen Passagiere schon lange genug aufgehalten, finden Sie nicht auch?« Sie schaut mich vielsagend an. »Sie sollten Ihr Telefon jetzt lieber ausschalten. Und zwar schnell.«
»Gibt es ein Problem?« Eine weitere zickige Flugbegleiterin kommt dazu und mischt sich ein.
»Nein, Franny, alles klar hier. Die junge Dame hier schaltet gerade ihr Handy aus.«
Innerlich koche ich vor Wut, aber ich gehorche. Nachdem ihr gemeinsamer Einsatz erfolgreich beendet ist, stolzieren die beiden blasierten Tussen davon, den Gang hinunter. Am liebsten würde ich dieser blöden Franny mein Handy an den Kopf werfen.
Dieser verlogene, hinterhältige Mistkerl. Ich werde ihn umbringen.
Das Flugzeug startet, aber ich bin so wütend, dass ich es kaum bemerke. Der Mann um die vierzig und seine Frau/ Freundin/Geliebte (Letzteres ist am wahrscheinlichsten) neben mir wirken extrem angespannt. Eigentlich habe ich immer gedacht, dass ich ein hohes Maß an Selbstkontrolle besitze, aber jetzt bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Gut, dass ich einen Fensterplatz habe, sonst würde ich wahrscheinlich wie eine Furie schreiend durch den Gang toben. Wie soll ich das bloß nochmal acht Stunden
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