Lucy kriegt's gebacken
den Tisch fallen und streckt mir einen Strauß weißer Rosen hin. „Die sind für dich.“
Lustlos klappe ich die Karte auf. Heute fühle mich sogar noch erschöpfter als an diesen endlosen Tagen nach Jimmys Tod. „Tut mir leid, dass so etwas Furchtbares geschehen ist“, lese ich laut vor. „Wenn ich irgendetwas tun kann, lassen Sie es mich wissen. Matt DeSalvo.“
„Wie nett.“ Mom geht mit den Blumen zur Spüle, wo sie eine Vase mit Wasser füllt. „Er hat heute Morgen angerufen und sich erkundigt, wie es Ethan geht. Und dir natürlich. Sehr freundlich von ihm.“
„Und wie geht es Ethan?“, frage ich.
„Nun, er hat auch angerufen. Er sagte, dass er zwar Schmerzen hat, es ihm ansonsten aber gut geht.“ Mom zögert. „Ich habe ihm erzählt, dass du vielleicht ein paar Tage bei mir bleibst.“
„Danke.“ Ich wische mir mit einer Serviette über die Augen. Ich hatte Ethan anrufen - ich wollte einfach wissen, wie es ihm geht -, aber er hat geschlafen. Marie sagte, dass er in Ordnung wäre. Nachdem ich aufgelegt hatte, habe ich eine Stunde im Internet nach „Gehirnerschütterung“ und „geschlossene Kopfverletzung“ gesurft und danach Anne angerufen und ihr ein Dutzend Fragen über mögliche Komplikationen gestellt. Sie hat mich beruhigt - mehr oder weniger. Aber man weiß natürlich nie, was geschieht.
Mom knallt die Vase auf den Tisch. „Und, wirst du jetzt dieses Brot-Angebot annehmen? Hast du schon was unterschrieben?“
„Nein. Ich meine, nein, bisher habe ich noch nichts entschieden und ja, ich denke, ich werde es annehmen.“
Sie setzt sich neben mich. „Ich halte das für eine gute Idee. So. Soll ich uns was zum Abendessen kochen?“
„Ich sollte nach Fat Mikey sehen.“ Er muss gefüttert werden - außerdem vermisst er mich, wenn ich zu lange weg bin, was ich daran merke, dass er mich bei meiner Rückkehr vollkommen ignoriert. „Kann ich ihn vielleicht für ein oder zwei Tage hierher bringen?“
„Wahrscheinlich wird er es furchtbar finden, aber natürlich“, antwortet sie. „Schön, ich kümmere mich ums Abendessen. Wir essen so gegen … sagen wir, gegen sechs? Dann solltest du jetzt gleich gehen. Spring aber erst noch unter die Dusche, du riechst ein bisschen komisch.“
Eine Stunde später stehe ich vor dem Boatworks und überlege, ob Ethan wohl zu Hause ist. Wie es ihm geht. Ob er wütend/traurig/vollkommen angewidert von mir ist. Allerdings muss ich mich nicht lange fragen, denn Parker stürmt mit Nicky an der Hand durch die Tür.
„Du!“, ruft sie, und am liebsten hätte ich mich zum Schutz hinter dem Laternenpfahl verbarrikadiert.
„Hallo.“ Ich hebe Nicky hoch und küsse ihn auf die Wange. „Wie geht es deinem Daddy?“
„Gut. Wir haben CandyLand gespielt, und ich hab ihn geschlagen. Er war erst im Pfefferminzwald, als ich gewonnen habe. Und Oma hat mir Pfannkuchen gemacht.“
„Wie schön, Nicky.“
„Lucy, begleite uns doch ein Stück“, sagt Parker in beängstigend aufgekratztem Ton. „Nicky und ich gehen zum Spielplatz, nicht wahr, Kumpel?“
„Ja! Ich will rutschen. Du kannst auch mitkommen. Ich zeig dir, wie‘s geht. Du musst gar keine Angst haben.“
„Um ehrlich zu sein, muss ich …“
Parker schnappt mich am Arm und zieht mich im Stechschritt über die Straße. „Lucy und ich schauen dir zu, Nick. Viel Spaß.“ Freundlich scheucht sie ihren Sohn Richtung Rutschbahn. „Wir bleiben genau hier!“
Kaum ist er außer Hörweite, wirbelt sie schon zu mir herum. Zwei rosa Flecken prangen auf ihren Wangen. „Hast du den Verstand verloren, Lucy?“
„Hör zu, ich weiß …“
„Du machst im Krankenhaus mit ihm Schluss? Als er eine Kopfverletzung hat und gerade von einem Auto angefahren wurde?“
Ich schlucke. „So war das nicht. Ich hätte gar nichts in der Richtung gesagt, aber …“
„Aber?“
„Aber … aber. Er wusste es.“
„Was wusste er?“
Ich schließe die Augen. „Er wusste es, Parker.“
„Dass du Angst hast? Dass es schrecklich für dich war, den Unfall mit ansehen zu müssen? Dass du ihn liebst? Dass du Angst hast, er könnte sterben? Was wusste er, Lucy?“
Auf einmal werde ich wütend. „Ich möchte jetzt keine Vorwürfe hören, Parker, okay? Ich habe mein Bestes gegeben, wirklich, ich habe es versucht, aber es geht nicht. Du weißt doch gar nicht, wie das ist.“
„Oh, tut mir leid“, erwidert Parker scharf. „Soll ich vielleicht Mitleid mit dir haben? Ich dachte immer, du willst wie ein ganz
Weitere Kostenlose Bücher