Lucy kriegt's gebacken
sonniger Oktobertag, der Himmel ist tiefblau, die letzten Blätter der Buchen glänzen golden. Über das Rauschen des Windes und den entfernten Jubel eines Fußballspiels kann man die Kanadagänse schnattern hören. Ich blicke nach oben, und tatsächlich fliegen sie gerade in V-Formation über den Friedhof Richtung Süden, wo sie den Winter verbringen werden. Viel Glück, denke ich. Seid vorsichtig, lasst euch nicht abschießen. Und hütet euch vor Flugzeugen .
Etwas Knallbuntes kommt um die Ecke - gelber Rock, orangefarbene Winterstiefel, lila Mantel, orangefarbener Poncho.
„Grinelda!“, rufe ich.
Sie bleibt stehen und nimmt die Sonnenbrille mit den blauen Gläsern ab, um mich zu mustern. „Hallo.“
„Haben Sie kurz Zeit?“ Sie antwortet nicht sofort. „Ich habe Geld.“
„Sicher. Und Kekse?“
Zehn Minuten später schlürft Grinelda eine übermäßig gesüßte Tasse Kaffee und isst ein Ding Dong, das ich noch in der Handtasche hatte.
„Also“, sagt sie, ein Stück Schokolade fällt von ihrer Lippe. „Sie wollen eine Sitzung?“
Ich zögere erst noch, stürze mich aber hinein. „Ja, bitte.“
„Glauben Sie inzwischen daran?“ Sie grinst wie Fat Mikey, wenn er ein Nagetier erlegt hat.
„Zumindest frage ich mich, ob Jimmy für mich mehr als diesen Toast-Ratschlag hat.“
Sie schiebt das letzte Stück Ding Dong in den Mund, ihre Wangen wölben sich nach außen, dann schluckt sie wie ein Kormoran, der einen besonders knochigen Fisch hinunterwürgt. Sie schließt die Augen und beginnt leise zu summen. „Hnnnnnnnnh. Hnnnnnnnnh.“ Das ist neu. Das muss sie im Fernsehen gesehen haben oder so. „ Hnnnnnnnnh.“
Ich seufze. So weit ist es also mit mir gekommen. Ich bin offiziell eine schwarze Witwe.
„Okay, ich empfange jemanden. Der Name beginnt mit einem J.“
„Ich schätze, das könnte Jimmy sein“, sage ich möglichst neutral.
„Nicht sprechen.“ Sie atmet wieder ein. „ Hnnnnnnnnh. Ja. J. Es ist ein Mann. Groß. Er hat eine Bratpfanne in der Hand. Ist das Jimmy? Ja! Es ist Jimmy.“
Ich verdrehe die Augen. „Hi, Jimmy.“
„ Hnnnnnnnnh. Hn… Was ist das? Er ist von Essen umgeben. Tomaten, Knoblauch, Hühnchen …“
„Okay, Grinelda, Sie wissen, dass Jimmy Koch war. Das ist kein Geheimnis …“
„Psst! Ich empfange etwas.“ Sie öffnet ein Auge. „Haben Sie noch mehr von diesen Ding Dongs?“
„Wissen Sie was, Grinelda? Lassen wir es gut sein. Ich dachte bloß …“
„Psst! Okay. Er zeigt mir etwas. Brot. Nein, Toast. Er sagt … Ja. Toast.“
„Richtig“, murmle ich, eher wütend auf mich als auf Grinelda. „Achte auf den Toast. Kapiert, Jimmy. Sonst noch was?“
„Er zeigt mir noch etwas. Eine Hochzeit? Ja. Eine Hochzeit. Heirat.“
Ah. Jetzt haben wir etwas, denke ich. Oder vielmehr nicht, da es sich ja noch immer um Grinelda handelt, aber trotzdem. Ich bin verzweifelt genug.
Grinelda schielt mich wieder an. „Sagt Ihnen das irgendwas?“
In diesem Moment klingelt mein Handy.
„Handys sind wirklich nicht hilfreich, wenn ich mit dem Jenseits kommuniziere“, schimpft Grinelda.
Ich stelle den Klingelton aus und schaue aufs Display. Es ist Matt DeSalvo.
Matt DeSalvo. Der Brot-Mann. Der mein Brot Tausenden von Menschen zugänglich machen will, die ihrerseits dann daraus wieder Toast machen können. Meine Mutter und Tanten hatten das Gefühl, dass Jimmy mich auf den Brot-Mann hinweist. Jetzt ist auch noch von Hochzeit die Rede. Und genau in diesem Moment ruft Matt an.
„Er verschwindet“, sagt Grinelda, und obwohl es fast sechs Jahre her ist und ich nach wie vor kein Vertrauen in Grineldas spezielle Begabung habe, schnürt sich mein Hals zusammen.
„Bye, Jimmy“, sage ich unwillkürlich. Es hat keinen Sinn. Nie werde ich aufhören, ihn zu vermissen.
An diesem Abend beschließe ich, dass ich Ethan nicht für immer aus dem Weg gehen kann. Ich fahre mit leeren Händen in sein Stockwerk - kein Kuchen, kein Pudding, keine Kekse - und klopfe energisch an die Tür. Niemand öffnet. Richtig, er ist nicht in der Stadt. Ich dachte nur, dass er inzwischen zurück wäre …
Hinter mir klingelt der Fahrstuhl, die Türen gleiten auf - und da ist er. Bei meinem Anblick zieht er fragend eine Augenbraue hoch.
„Hallo.“ Mein Magen krampft sich vor Nervosität zusammen.
„Hallo.“ Er zieht seinen Schlüsselbund hervor. „Wie geht es dir?“
„Mir geht es gut!“, flöte ich. „Ich wollte mal nachsehen, wie es dir geht!“ Ich klinge wie die aufgedrehte
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