Lucy kriegt's gebacken
einem großen Stein. Mit der Eleganz eines sterbenden Nilpferds lasse ich mich darauf nieder. Dann senke ich den Kopf auf die Knie und versuche, mich zu entspannen. Ruhig zu atmen. Everything‘s gonna be alright, everything‘s gonna be alright …
„Lucy? Soll ich einen Notarzt rufen?“ Fred tätschelt meine Schulter.
Ich schüttle den Kopf. Die Panik zieht sich zurück wie das Meer bei Ebbe. Stück für Stück. Ich muss diesen Friedhof nicht betreten. Niemand wird je davon erfahren. Und dem netten Fred ist es egal, das weiß ich.
„Mein Mann liegt hier begraben“, flüstere ich, und oh, das klingt so traurig. Tränen füllen meine Augen, und ich wische sie verärgert weg. Ich sollte inzwischen in der Lage sein, es ohne Tränen auszusprechen.
„Tut mir leid“, murmelt Fred.
„Vielleicht können wir einfach außen herum gehen? Tut mir leid, ich weiß, wie albern das ist …“
„Gar nicht“, meint Fred. „Natürlich können wir um den Friedhof herumgehen. Wann immer Sie so weit sind.“
Genau jetzt. Deshalb stehe ich auf, und wir brauchen zwanzig Minuten länger, bis wir Lenny‘s Pub erreicht haben.
„Hey, Lucy“, rufen mir einige meiner Mannschaftskollegen zu. Ellen Ripling trinkt eine Piña Colada und flirtet dabei schamlos mit Leeland Huckabee. Tom Malloy, unser First Baseman, scheint schon halb betrunken zu sein - was nicht ungewöhnlich ist, der Mann verträgt einfach keinen Alkohol. Ich nehme mir vor, ihm den Autoschlüssel abzunehmen. Carly Espinosa, die einen Home Run im neunten Inning gemacht hat, hängt an ihrem Handy. Roxanne, die mürrische Kellnerin, blafft die Gäste an, sich zu beeilen, während sie selbst einige Drinks hinunterschüttet.
Und Ethan albert mit Doral-Anne herum.
„Was möchten Sie trinken?“, fragt Fred.
„Oh, ähm, ich nehme … was immer Sie nehmen.“ Mein Kopf ist vollkommen leer. Als er mir den Rücken zudreht, atme ich erleichtert auf.
„Also, was war heute los, Lucy?“, ruft Tommy Malloy.
„Hatte nur einen schlechten Tag. Keine Sorge. Wenn wir gegen die Nubey‘s spielen, bin ich wieder in Topform.“ Gegen Nubey‘s Hardware haben wir schließlich noch nie verloren.
Aha. Ethan steuert auf mich zu. „Hey, Luce.“
„Hi. Tut mir leid, dass ich so spät komme.“
„Ach, du bist eben erst gekommen?“ Er blickt zur Theke.
„Ich hatte nur ein … kleines Problem. Das ist alles.“ Ich warte darauf, dass er sich nach meinem Befinden erkundigt. Tut er nicht. „Also nimmst du Steroide oder so was?“, fahre ich fort. „Du warst heute auf der Second Base ganz schön aggressiv. Wenn ich darüber nachdenke, war es das erste Mal, dass du mich so fertiggemacht hast.“ Ich schenke ihm ein Lächeln, und er grinst zurück.
„Keine Steroide, Lucy. Ich behandle dich jetzt einfach wie einen Kumpel. Wieso? Sollte ich dich nächstes Mal gewinnen lassen?“ Er hebt belustigt die Augenbrauen und grinst nun übers ganze Gesicht.
„Du hast mich nie gewinnen lassen“ , wende ich ein.
„Klar, Luce.“
‚„Was willst du damit sagen?“
Er lacht, nicht böse, sondern ehrlich amüsiert. „Lucy, Lucy. Glaubst du wirklich, dass du so gut bist?“
Mein Mund klappt auf. „Ja! Ich bin fantastisch. Meine Schlagquote ist .513!“
Er nickt. „Ja, sogar höher als die von Tommy Malloy, der für Arizona gespielt hat. Verblüffend.“
Ich lasse die Schultern sinken. „Was soll das heißen? Dass ich gar nicht so gut bin? Dass die Leute einfach nur nett sein wollten?“
„Jupp.“
„Gar nicht!“ Ich bin nicht toll? „Warum sollten sie das tun?“
„Weil du Jimmys Witwe bist, Kleines. Wer will schon die arme Lucy Mirabelli angreifen?“
Ich kneife die Augen zusammen. „Hattest du etwas damit zu tun?“
Wieder grinst er. „Nun, ich habe vielleicht ab und zu erwähnt, dass sie sanft mit meiner Schwägerin umgehen sollen. Zumindest als du zu spielen angefangen hast. Ich schätze, es ist dann zur Gewohnheit geworden.“ Er klopft mir auf die Schulter, und ein Hauch seines Rasierwassers steigt in meine Nase, ein so vertrauter und tröstlicher Duft, dass ich von Sehnsucht ergriffen werde. Und Eifersucht womöglich, den er ist … ach verdammt. Genug jetzt, ermahne ich mich stumm.
Ich blicke mich in der Kneipe um. Fred, von Gästen umringt, die größer sind als er, wartet geduldig. Offenbar weiß er nicht, dass man sich in diesem Laden mit Gewalt einen Weg an die Theke bahnen muss. Dann schaue ich kurz zu Doral-Anne hinüber, die an einem Tisch an der
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