Lucy kriegt's gebacken
Ethan, falls du Lust hast, weiterzureden …“
Ethan geht großzügig über ihre Unhöflichkeit hinweg. „Doral-Anne, das ist Parker Welles, die Mutter meines Sohnes.“
„Hallo, wie geht es Ihnen? Sie arbeiten bei Starbucks, richtig?“, fragt Parker.
„Ich bin die Geschäftsführerin“, erklärt Doral-Anne.
„Allzeit bereit“, murmelt Parker, dann wirft sie mir einen schuldbewussten Blick zu. „Was Kaffee betrifft, meine ich.“
„Nun, wie wäre es mit einem Tisch für fünf?“, schlägt Fred vor.
„Aber wir wollen Ihre Verabredung nicht stören“, sagt Parker. „Viel Spaß. Eth, was dagegen, wenn ich mich euch beiden anschließe?“
Und so setze ich mich mit Fred an einen Tisch. Mit Fred, der absolut nett ist, seinem Sohn ein guter Vater zu sein scheint und dessen gefärbte Schädelplatte anfängt zu tropfen, denn ein schwarzes Rinnsal macht sich auf seiner Stirn bemerkbar.
„Sie ist bestimmt sehr niedlich“, sage ich, nachdem Fred von der Ballettaufführung seiner Tochter berichtet hat.
Eine endlose Stunde lang unterhalten wir uns, bevor ich zum ersten Mal auf die Uhr sehe, Überraschung vortäusche und Fred erkläre, dass ich morgens immer sehr früh aufstehe und jetzt unbedingt ins Bett muss. Was natürlich gelogen ist. Ich werde noch stundenlang wach bleiben.
„Hören Sie, Lucy“, sagt er, und ich suche bereits nach einer Erklärung, warum aus einer zweiten Verabredung nichts werden kann. „Sie sind schrecklich nett, aber ich glaube, die Chemie zwischen uns stimmt nicht.“
Die Engel sollen dich segnen, Fred, denke ich. „Sie sind bestimmt ein toller Kerl“, stimme ich ihm zu. „Aber, ja … genau.“
„Sie sind noch nicht über Ihren Mann hinweg?“, fragt er freundlich.
Ich schlucke. „Ich glaube, Sie haben recht. Viel Glück bei allem, Fred.“
Kurz bleibe ich an der Theke stehen und erinnere Lenny daran, dass er Tommy Malloy den Autoschlüssel abnehmen soll, dann gehe ich. Der fröhliche Lärm aus der Bar erstirbt ein paar Straßen weiter. Wenn ich jetzt einfach über diesen verflixten Friedhof gehen könnte, wäre ich in zehn Minuten zu Hause. So brauche ich zweiunddreißig.
Die Sommermücken sind verschwunden oder gestoben, alles, was man hört, ist eine tapfere kleine Grille und das immerwährende Geräusch von Wellen, die zwei Blöcke weiter an das steinige Ufer schwappen. Ich fahre mit dem Finger an der Friedhofsmauer entlang. „Hi, Dad“, rufe ich leise an der entsprechenden Stelle. „Ich hoffe, dass im Himmel alles gut läuft.“ Der Wind rauscht durch das Herbstlaub über mir, und ein oder zwei Blätter schweben herab.
Vielleicht hat Fred recht. Vielleicht bin ich noch nicht so weit. Vielleicht ist es mein Schicksal, auch eine schwarze Witwe zu werden und mir von Grinelda die Barthaare entfernen und Nachrichten meines verstorbenen Mannes überbringen zu lassen. Ich erwarte zwar mehr von meinem Leben, wirklich, aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich mehr haben kann.
Zu Hause schlingt Fat Mikey seinen dicken Körper um meine Fußknöchel. Stolpernd beuge ich mich vor, nehme ihn auf den Arm und reibe mein Gesicht an seinem. „Hallo, du großes Vieh“, murmle ich. Einen Augenblick lang lässt er mich gewähren, belohnt mich sogar mit einem heiseren Schnurren, dann springt er hinunter.
Seufzend falle ich auf die Couch, direkt vor dem ziemlich beeindruckenden Plasmabildschirm, den Ethan letztes Jahr mit mir zusammen ausgesucht hat. Ich könnte Guitar Hero spielen oder eine Partie Scrabble gegen meinen Computer. Ich könnte auch ins Bett gehen - schließlich muss ich um vier Uhr aufstehen.
Ich betrachte das Hochzeitsfoto an der Wand, Jimmy und ich, lachend. Unsere Gesichter sind im Profil zu sehen, weil wir uns beide gerade Ethan zugewendet hatten, der nicht in dem Bild ist. Seine Rede als Trauzeuge war wahnsinnig lustig, und alle haben sich gekrümmt vor Lachen. Vor allem Jimmy. Sein Lachen habe ich besonders geliebt, dieses dunkle, schmutzige Lachen, das mir immer direkt in den Bauch fuhr. Er war einfach großartig, mein Jimmy. Der Mittelpunkt jeder Party. Die Liebe meines Lebens. Und unsere Ehe - das waren nicht nur zwei Menschen, die zusammengehören. Unsere Ehe war alles, was ich mir jemals erträumt hatte.
Ich gehe in die Küche. Vielleicht dunkler Schokoladenkuchen, mit Milchschokolade gefüllt? Oder nein, besser - Milchschokoladenkuchen, mit geschmolzener Mokkaschokolade gefüllt. Ja. Ein Schuss Espresso und etwas Mandelpaste in die Füllung.
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