Lucy kriegt's gebacken
nicht einmal als Fat Mikey hochspringt und mit seinem Knetritual beginnt, etwas, worüber Ethan sonst immer lachen musste. Damals, als wir noch zusammen geschlafen haben, meine ich.
„Brauchst du noch etwas, Lucy?“
„Tut mir leid, dass du dich um mich kümmern musst, Ethan.“ Ich schlucke schwer. Zwar versuche ich, beiläufig zu klingen, aber hinter meinen Augenlidern brennen Tränen.
„Kein Problem.“
„Scheint aber eines zu sein.“ Ich zögere. „Ethan, sind wir keine Freunde mehr?“
Ethan öffnet den Mund, um etwas zu sagen, überlegt es sich dann anders und stopft die Hände in die Hosentaschen. „Lucy“, sagt er mit müder Stimme. „Ich weiß nicht, was du von mir erwartest. Du sagst, dass du jetzt so weit bist, weiterzumachen, stellst mir aber ständig irgendetwas vor die Tür. Fragst mich, ob wir zusammen einen Film sehen wollen. Du warnst mich vor Doral-Anne …“
„Sie ist so fies, Ethan!“
„… und in dieser ganzen Zeit triffst du dich vor meinen Augen mit irgendwelchen Typen. Und dann brauchst du Medikamente gegen deine Panikattacken und landest im Krankenhaus.“ Er atmet tief ein und stößt die Luft langsam wieder aus. „Ich weiß einfach nicht, was das soll, Lucy.“
Ich streichle Fat Mikeys Kopf, damit ich Ethan nicht ins Gesicht sehen muss, der wie ein enttäuschter Vater neben meinem Bett steht. „Ich versuche nur … mir ein Leben aufzubauen, Ethan. Ein Leben, mit dem ich umgehen kann.“ Ich schlucke, schlucke noch einmal.
„Was soll das heißen, ein Leben, mit dem du umgehen kannst?“, fragt er sanft.
„Ich weiß nicht.“ Eine Träne tropft auf Fat Mikeys ausgefranstes Ohr, und er schüttelt heftig den Kopf.
Ethan seufzt. Eine Sekunde später sackt die Matratze unter seinem Gewicht zusammen, als er sich neben mich setzt. „Man sollte dich mal ordentlich verhauen.“
Ich nicke.
„Dann schlaf jetzt, Liebling.“ Ich schließe die Augen. Er zieht mir die Decke bis unters Kinn und beugt sich vor, um das Licht auszuknipsen. Dann gibt er mir einen Kuss auf die Stirn, es ist nicht viel mehr als das sanfte Kratzen seines Barts und eine leichte Berührung seiner Lippen. „Ich schaue in ein paar Stunden nach dir“, sagt er leise. Und damit steht er auf, geht aus dem Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
Was gut ist, denn nur eine Sekunde länger, und ich hätte ihn angefleht, zu bleiben.
15. KAPITEL
Als ich am nächsten Morgen erwache, weiß ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Blinzelnd setze ich mich auf. Mein Kopf tut weh, aber davon abgesehen scheint mein Michael-Phelps-Anfall keine Nachwirkungen zu haben.
Moment mal kurz - ich kneife die Augen zusammen. Die Sonne scheint. Was nichts anderes bedeutet, als dass ich … „Aaah!“, krächze ich. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigt vier nach acht.
Ich schwinge mich aus dem Bett und renne in die Küche. Ethan sitzt mit einer Zeitung am Küchentisch. „Hey.“ Er steht auf. „Wie geht es dir?“
„Ich muss los! Die Bäckerei … Meine Mom wird …“
„Setz dich. Ganz ruhig.“ Er geht zum Schrank, nimmt meinen Lieblingsbecher heraus und schenkt mir eine Tasse Kaffee ein. „Ich habe in der Bäckerei angerufen und Iris gesagt, dass du krank bist und einen Tag frei brauchst.“
„Oh.“ Ich überlege. „Wie oft haben sie seitdem angerufen?“
„Viermal. Iris befürchtet, du könntest die Lou-Gehrig-Krankheit haben. Rose meinte, es klinge eher nach Krebs. Deine Mom sagte: ‚Gute Besserung und bis morgen.‘“ Ethan erlaubt sich ein kleines Lächeln, während er Milch in meinen Kaffee gießt und mir anschließend den Becher reicht. „Gut geschlafen?“
Leicht schockiert wird mir klar, dass ich tatsächlich gut geschlafen habe. „Ja. Danke.“ Ich halte inne. „Hast du nach mir gesehen? Ich kann mich nicht erinnern.“ Dabei hätte ich mich über eine schlaftrunkene Erinnerung daran, wie Ethan sich um mich kümmert, durchaus gefreut. Sehr sogar.
„Ja“, sagt er mit ausdruckslosem Gesicht. „Soll ich dir Frühstück machen?“
„Oh nein, geht schon. Aber danke.“ Wir sehen uns einen Moment lang an.
Ethan und ich haben schon viele Stunden in meiner Küche verbracht. Glückliche Samstagabende, wenn ich etwas für ihn backte, während er mir Geschichten von den Leuten erzählte, die er traf, von den Flughäfen, die er mochte, von dem Nervenkitzel, einen neuen Großkunden an Land gezogen zu haben, oder von den ganzen verrückten Dingen, die er unter dem Deckmäntelchen der Verkaufsförderung
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