Lucy kriegt's gebacken
ein Schlag in meinen Magen. Langsam sinke ich wieder auf den Stuhl zurück, Nicky auf dem Schoß. „Ich weiß es nicht, Schätzchen“, wispere ich. „Vielleicht. Warum eigentlich nicht.“
„Vielleicht kann er ihr was kochen. Daddy sagt, er war ein toller Koch.“
Das Bild von meinem Mann in der Küche ist so lebendig, dass ich beinahe die Tomatensoße riechen kann - Jimmy, die aschblonden Locken unter das Kopftuch gestopft, wie er mit seinen großen Händen geschickt die Petersilie hackt, das in heißem Olivenöl brutzelnde Hühnchen.
„Er war wirklich ein guter Koch“, murmle ich, als ich Nickys erwartungsvollen Blick spüre. „Ich wette, er hätte dir alle deine Lieblingsgerichte gekocht.“
„Das sagt Daddy auch immer. Kann ich ein Bonbon haben?“ Er schlängelt sich von meinem Schoß. „Da vorne gibt’s Bonbons. Neben der Tür steht eine große Schale.“
„Frag deine Mom“, entgegne ich.
„Tschüss!“ Nicky saust zu Parker, die zerstreut über sein Haar streichelt, während sie sich mit Ellen Ripling unterhält. Der kleine Junge klammert sich an ihre Beine, schwer bemüht, sie nicht zu unterbrechen. Seine Augen sind wie die von Ethan, braun und schelmisch, meistens mit einem angedeuteten Lächeln darin.
Nur dass ich Ethan in letzter Zeit nicht oft habe lächeln sehen. Selbst jetzt sieht er etwas abgespannt aus, während er in der Schlange darauf wartet, meinen Verwandten sein Beileid auszusprechen. Roses Miene hellt sich sofort auf, als sie ihn erblickt, und er grinst wie immer, wenn er sich in der Nähe der schwarzen Witwen aufhält. Als er an der Reihe ist, beugt er sich vor und küsst sie. Er nimmt ihre Hände und sagt etwas, das sie zum Lächeln bringt. Er kann mit älteren Frauen so gut umgehen. Etwas rührt sich in meiner Brust, und ich denke daran, wie er mich in dieser Nacht auf die Stirn geküsst hat.
Jetzt steht er vor Iris und flüstert ihr etwas ins Ohr - etwas Ungezogenes, wie es scheint, denn sie zieht ein begeistert entsetztes Gesicht und schlägt ihm leicht auf den Kopf. Dann wendet er sich an Mom, die sich bei ihm einhakt, während sie mit ihrer besten Freundin Carol spricht. Ethan sieht so … anständig aus. Er nickt Carol zu, ohne meine Mutter zu unterbrechen, und mir fällt auf, was er wirklich ist: ein guter Sohn. Zu schade, dass er das bei seinen eigenen Eltern nicht hinbekommt.
Ich stelle mir vor, dass Jimmy hier wäre und so ziemlich dasselbe täte wie Ethan jetzt. Meine Mutter umgarnen, bei meinen Verwandten Süßholz raspeln, dann würde er zu mir kommen, sich neben mich setzen und mich küssen. Er würde meine Hand halten, ein paar Worte murmeln, dann aufstehen, um unsere streitenden Kinder hinauszuscheuchen - vier waren geplant. Wenn irgendjemand angedeutet hätte, dass meine Scones Boggy getötet hätten, hätte Jimmy dieses alberne Gerücht sofort im Keim erstickt. Seine Anwesenheit würde mich von den oberflächlichen Debbie Keatings und den bekloppten Stevies dieser Welt abschirmen.
Das ist Bürde und Segen aller Witwen. Für den Rest meines Lebens würde ich mir Jimmy überall vorstellen. Er hat mich so geliebt. Und Gott weiß, ich liebte ihn auch.
„Hi, Lucy.“
Ich sehe zu Ethan auf, und eine Sekunde lang ist es fast so, als hätte ich ihn die ganzen Jahre über vermisst. „Hi“, flüstere ich durch den Schleier der Gefühle hindurch, der sich um mich gelegt hat.
„Wie ich gehört habe, waren das echt mörderische Scones.“ Dann lacht er leise, sinkt neben mir auf den Stuhl und vergräbt sein Gesicht in den Händen.
Die Zärtlichkeit in meinem Herzen verschwindet augenblicklich. Das war der letzte Tropfen. Schwer vorstellbar, dass ich vorhin noch mit ihm ins Reine kommen, ihn wieder zum Lächeln bringen wollte. Wortlos stehe ich auf und drücke mich an ihm vorbei.
Er hält mich an der Hand fest. „Lucy, tut mir leid. Bitte sei nicht böse.“
Ich reiße mich los, weil ich jetzt einfach nicht in der Stimmung bin. Alle möglichen Gefühle wirbeln in meiner Brust durcheinander, gute, böse, hässliche, ich brauche einfach etwas Raum zum Atmen.
Weiter hinten sehe ich Stevie, der, wie es aussieht, gerade die letzten Sekunden in Boggys Leben nachspielt. Die Hände am Hals, die Zunge rausgestreckt, während Father Adhyatman ihn fasziniert betrachtet. Es hatte nichts mit Bröseln zu tun , versuche ich dem Priester mental zu vermitteln, dann gehe ich an ihnen vorbei Richtung Toilette. Mein Hals ist zugeschnürt, meine Augen brennen.
Und da kommt
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