Lucy & Olivia - Allerliebste Vampirschwester: Band 1 (German Edition)
schützen könnte. Sie hatte ein fast leeres Nagellackfläschchen in ihrer Handtasche. Sie könnte es
ausleeren und dann mit Weihwasser füllen. Aber was, wenn das auch nur ein Mythos war? Und wo sollte sie überhaupt Weihwasser herkriegen?
Würde ein Bleistift als Pfahl taugen? , fragte sie sich. Sie hatte zwei in ihrer Handtasche. Knoblauch!, dachte sie plötzlich. Immerhin wusste sie, dass das kein Mythos war.
Beim Mittagessen hoffte Olivia auf ein knoblauchhaltiges Tagesgericht, aber sie hatte kein Glück. Auf der Tafel stand, dass es heute Krabbensalat gab, und als Olivia das las, machte es plötzlich Klick in ihrem Kopf. Ich hab’s!, dachte sie. Vampire sind nur eine andere Art Leute, genau wie Krabben und Hummer verschiedene Arten von Schalentieren sind! Sie sind eigentlich fast dasselbe: eine große glückliche Schalentierfamilie! Und von da an ging es Olivia gleich viel besser.
Den restlichen Nachmittag über lächelte sie jeden an, der ihr begegnete, bis sie schließlich auch Lucy zum Beginn der Naturkundestunde dämlich angrinste.
»Wie geht’s dir?«, fragte Lucy mit leiser Stimme.
»Super!«, sagte Olivia fröhlich. »Es ist so, als wärst du ein Hummer!«
Lucy kapierte ganz offensichtlich nicht, was Olivia meinte, aber sie hakte nicht nach.
»Hast du immer noch vor, heute Nachmittag zu dem Orga-Treffen zu gehen?«, flüsterte sie.
»Aber sicher«, sagte Olivia. »Ich komme hundertprozentig mit den Vamp …« Lucy bekam große Augen. Olivia hustete und senkte ihre Stimme. »… dem Treffen klar«, sagte sie stattdessen.
Nach dem Ende der Stunde folgte Olivia ihrer Schwester aufs Mädchenklo.
Nachdem sie die Kleider getauscht hatten, betrachtete sich Lucy im Spiegel. »Jetzt würde ich mir allerdings wünschen, kein Spiegelbild zu haben«, sagte sie und zog an Olivias rosa Gymnastikshirt. Dann beugte sie sich mit einem Kajalstift vor, um Olivias Augen zu schminken. »Weißt du noch, was du über den Kirschpunsch bei dem Treffen gesagt hast?«
»Mhm?«, sagte Olivia.
»Ein Mythos«, sagte Lucy einfach. »Vampire ernähren sich nicht nur von Fleisch und Blut. Du kannst die Cracker oder die Chips oder was es sonst dort gibt ruhig essen.«
»Okay«, sagte Olivia, war aber kaum weniger nervös.
»Willst du noch irgendwas wissen?«, fragte Lucy.
Alle möglichen Fragen tauchten in Olivias Kopf auf und hoben eifrig die Hand. Schließlich wählte sie eine aus. »Sind alle Gruftis Vampire?«
»In Franklin Grove? Nicht alle, aber die meisten«, erklärte Lucy ihr.
»Und was ist mit all den anderen?«
»Häschen wie du«, antwortete Lucy ihr nüchtern.
»Bist du unsterblich?«, fragte Olivia.
»Das ist eine schwierige Frage.« Lucy stellte Olivias Tasche ab. »Nicht wirklich. Aber möglicherweise erlebe ich es noch, dass Leute auf dem Mars wohnen.«
»Was kann dich umbringen?«, wollte Olivia wissen.
»Was kann dich umbringen?«, gab Lucy zurück. »Hör mal, Olivia, Vampire sind auch normale Leute.«
Olivia nickte. »Ich weiß. So, als wärst du ein Hummer und ich eine Krabbe«, sagte sie automatisch. »Wir sind beide Schalentiere.«
»Nein«, sagte Lucy. »Ich habe nicht gesagt, dass wir Meeresfrüchte sind. Ich habe gesagt, wir sind normale Leute . Mit Herzen und Seelen und allem. Wir mögen das Leben, die Freiheit und die Suche nach dem Glück genau wie alle anderen. Wir reden untereinander nicht mal groß darüber. Das ist so, wie du Vegetarierin bist. Das ist schließlich auch keine große Sache, oder?«
»Stimmt«, gab Olivia zu. »Danke, Lucy.« Olivia kräuselte die Nase. »Ich schätze, es dauert eine Weile, bis ich mich an diese Vampirsache gewöhnt habe.«
Lucy setzte einen nichtssagenden Gesichtsausdruck auf. »Echt?«, quiekte sie mit ihrer Cheerleaderstimme.
Auch wenn sie wusste, dass sie keine Angst haben musste, standen Olivia die Nackenhaare zu Berge, als sie das FoodMart -Schild vor sich aufragen sah. Sophia redete im Gehen aufgeregt über den Ball, aber das Einzige, was Olivia hörte, waren Lucys Worte: »Ich geh zum BloodMart wie alle anderen auch. Da ist einer beim FoodMart im Keller.«
Olivia stellte sich eine große, düstere unterirdische Krypta vor, in der riesige Fässer voll mit einer herumwirbelnden roten Flüssigkeit standen. Aus den Schankhähnen tropfte es schauerlich und der Fußboden war von blutgetränkten Servietten übersät. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatten sie und Sophia bereits die Eingangstür durchquert. Es war zu spät, um zu
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