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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wie hübsch er sich in meinem Zimmer ausnehmen würde.
    »Es ist nicht unserer«, sagte sie knapp. »Ich hab ihn mir geliehen.«
    Während ich mich im Badezimmer zurechtmachte, hämmerte sie gegen die Tür und brüllte: »Ich hab saubere Handtücher auf den Halter gehängt. Komm bloß nicht auf die Idee, sie zu benutzen.«
     
    Es war acht Uhr. Wir waren bereit. Der Tisch war gedeckt, das elektrische Licht gedimmt, die Kerzen brannten, der Weißwein war im Kühlschrank, die Rotweinflaschen standen entkorkt in der Küche, wo auch Töpfe, Pfannen und andere Gefäße mit Eßbarem servierfertig warteten.
    Karen schaltete die Stereoanlage ein. Sonderbare Geräusche waren zu hören.
    »Was ist das?« fragte Charlotte entsetzt. Karens Antwort klang leicht verlegen.
    »Etwa Jazz?« schnaubte Charlotte verächtlich. »Aber wir können Jazz nicht ausstehen. Stimmt’s, Lucy?«
    »Ja«, bestätigte ich bereitwillig.
    »Wie nennen wir Leute, die Jazz mögen?« fragte Charlotte.
    »Verrückt gewordene Anoraks?« fragte ich zögernd.
    »Nein, so nicht.«
    »Beatnik-Kunststudenten mit Ziegenbärten?«
    »Genau«, sagte sie begeistert. »Leute mit Skihosen und schwarzen französischen Polohemden.«
    »Schon möglich, aber jetzt mögen wir Jazz«, sagte Karen entschlossen.
    »Du meinst wohl, Daniel mag Jazz«, knurrte Charlotte.
    Karen sah großartig aus – oder lächerlich, das war eine Frage des Standpunkts. Sie trug ein blaßgrünes schulterfreies langes Kleid im griechischen Stil. Das Haar hatte sie aufgesteckt, aber zahlreiche Löckchen fielen ihr wie Ranken ins Gesicht. Sie strahlte förmlich und sah weit glanzvoller und gepflegter aus als Charlotte oder ich. Wie an dem Abend, an dem ich Gus kennengelernt hatte, trug ich mein Goldlamékleid, denn es war mein einziges festliches Stück, doch neben dem Glanz, der von Karen ausging, wirkte es wie ein durchs Wasser gezogener Fetzen.
    Charlotte sah offen gesagt noch schlimmer aus als ich. Sie hatte ihr einziges gutes Kleid angezogen, das, das sie als Brautjungfer ihrer Schwester getragen hatte, ein trägerloser gebauschter Alptraum aus rotem Taft. Seit jener Hochzeit mußte sie wohl ziemlich zugenommen haben, denn das Oberteil barst fast unter dem Druck ihres Busens.
    Als Charlotte in dem Kleid aus ihrem Zimmer gerauscht kam und sich unter Lauten des Entzückens um ihre eigene Achse drehte, machte Karen eine recht zweifelnde Miene. Wahrscheinlich bedauerte sie, daß sie Charlotte nicht erlaubt hatte, ihre Cowgirl-Kluft anzuziehen.
    Hektisch erteilte Karen uns Anweisungen. »Wenn die Gäste kommen, unterhalte ich mich mit ihnen im Wohnzimmer. Du, Lucy, schaltest den Herd auf eine ganz kleine Stufe, um die Kartoffeln aufzuwärmen, du, Charlotte, rührst die...«
    Mit einem Mal hielt sie inne, und ein Ausdruck des Entsetzens trat auf ihr Gesicht.
    »Das Brot, das Brot!«, kreischte sie. »Ich hab vergessen, Brot zu kaufen. Der ganze Abend ist verdorben! Völlig ruiniert. Alle müssen wieder nach Hause gehen.«
    »Beruhige dich«, sagte Charlotte. »Es steht auf dem Tisch.« »Oh, zum Glück. Gott sei Dank. Tatsächlich?« Es klang, als wäre Karen den Tränen nahe. Charlotte und ich wechselten einen Blick stummen Leidens.
    Einen Augenblick lang schwieg Karen, dann sah sie auf die Uhr.
    »Wo zum Teufel bleiben die?« wollte sie wissen und steckte sich mit zitternder Hand eine Zigarette an.
    »Nur Geduld«, sagte ich beschwichtigend. »Es ist gerade erst acht vorbei.«
    »Ich hatte gesagt, Punkt acht«, sagte Karen aggressiv
    »Das nimmt doch niemand ernst«, murmelte ich. »Zur angegebenen Zeit zu kommen gilt als unhöflich.«
    Ich hatte schon den Hinweis auf der Zunge, daß es sich lediglich um eine Abendeinladung handele und der Ehrengast nur Daniel sei, doch hielt ich mich gerade noch rechtzeitig zurück. Wir saßen in angespanntem Schweigen da. Wellen der Aggression schlugen mir von Karen entgegen.
    »Du wirst sehen, keiner kommt«, sagte sie unter Tränen und stürzte ein Glas Wein hinunter. »Wir können ebensogut alles wegschmeißen. Kommt, wir gehen in die Küche und stecken alles in die Mülltonne.«
    Hart setzte sie das Glas auf den Tisch und stand auf.
    »Los, kommt schon«, befahl sie.
    »Nein!« sagte Charlotte. »Warum sollen wir es wegwerfen? Nach aller Mühe, die wir damit hatten? Wir können es selbst essen und den Rest einfrieren.«
    »Ach ja?« sagte Karen tückisch. »Wir können es selbst essen? Wieso bist du so sicher, daß niemand kommt? Was weißt du, was ich

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