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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nächste kam Meredia. Sie trug zu Ehren des neuen Mitarbeiters ihren besten Vorhang und stürzte sich förmlich auf den Karamel, dessen schottengemusterte Zellophanumhüllung sie ungeduldig aufriß. Wir alle schlugen ordentlich zu.
    Dann kam Jed. Er wirkte schüchtern und nervös, grinste aber immer noch wie ein Honigkuchenpferd. Er trug Anzug und Krawatte, aber das würden wir ihm bestimmt bald austreiben.
    Ivor der Schreckliche traf unmittelbar nach ihm ein und kehrte wie gewohnt den wichtigen Geschäftsmann heraus. Er sprach laut, klopfte Jed ein paarmal männlich-gönnerhaft auf die Schulter, warf den Kopf in den Nacken und bellte vor Lachen. Dann ahmte er die Vorgesetzten aus dem oberen Stockwerk nach, was er sehr gern tat, nur hatte er nicht oft Gelegenheit dazu.
    »Jed!« röhrte er, hielt ihm die Hand hin und schüttelte seine. »Schön, Sie zu sehen! Schön, daß Sie es geschafft haben! Tut mir leid, daß ich nicht hier war, um Sie zu begrüßen – bin aufgehalten worden. Sie wissen ja, wie das ist. Ich hoffe, daß die ruchlosen Geschöpfe hier, ha, ha, sich um Sie gekümmert haben, ha, ha.« Väterlich legte er ihm den Arm um die Schultern und schob ihn zu meinem Schreibtisch. »Meine Damen, ha, ha, ich möchte Sie mit der neuesten Ergänzung unserer Belegschaft, ha, ha, bekannt machen, Mr. Davies.«
    »Sagen Sie bitte Jed«, murmelte dieser.
    Wir schwiegen. Keine von uns brachte ein Wort heraus, weil der Karamel unsere Kiefer verklebt hatte. Aber wir lächelten und nickten begeistert. Ich nehme an, daß ihm das als Willkommen genügt hat.
    Ivor schien Jed auf jeden Fall zum Kumpan seiner Intrigen machen zu wollen, und seine erkennbare Begeisterung, jemanden zu haben, den er beeindrucken konnte, veranlaßte ihn zu schamloser Prahlerei. Er wußte nur zu gut, daß wir Frauen vor ihm nicht die Spur Respekt hatten.
    Er erging sich endlos über die Wichtigkeit seiner Abteilung in der Unternehmenshierarchie und über die Karriereaussichten, die Jed offenstanden. »Wenn Sie sich tüchtig ins Zeug legen«, sagte er, wobei er uns mit einem bitteren Blick bedachte  – »können Sie eines Tages sogar eine Position wie meine erreichen.« Er schloß mit den Worten: »Ich habe viel zu tun und kann nicht den ganzen Tag hier herumstehen und plaudern.« Er warf Jed einen Blick von Mann zu Mann zu, in dem Bedauern über seine Arbeitslast lag, und verschwand wichtigtuerisch in seinem Büro.
    Danach herrschte einen Augenblick Schweigen. Wir alle lächelten einander unbehaglich zu. Dann machte Jed den Mund auf.
    »Wichser«, sagte er in Richtung auf die Tür, die sich hinter Ivor geschlossen hatte.
    Wir waren erleichtert – einer von uns! Stolz und begeistert grinsten Megan, Meredia und ich einander an. Wie vielversprechend! Dabei war er erst seit zehn Minuten im Büro. Wir würden ihn sorgsam formen und anleiten, bis sein Sarkasmus und Zynismus vielleicht sogar dem Meredias gleichkam.

43
    I ch bemühte mich nach Kräften, nicht an Gus zu denken, und es ging auch ganz gut. Abgesehen von einem beständigen leichten Unwohlsein merkte ich kaum, wie elend es mir ging. Manchmal fühlte ich mich auch, als hätte ich einen Bleiklumpen geschluckt und meine Energie reiche nicht aus, das zusätzliche Gewicht mit mir herumzuschleppen.
    Das war alles. Ich weinte nicht oder was. Nicht einmal meinen Arbeitskolleginnen sagte ich etwas; dazu war ich viel zu enttäuscht. Es war einfach nicht der Mühe wert.
    Nur wenn das Telefon läutete, verlor ich ein wenig die Beherrschung. Dann gelang es der trügerischen Hoffnung, sich aus der Kiste zu befreien, in die ich sie eingesperrt hatte, und auf meinen Nerven herumzutrampeln. Aber das dauerte nie lange. Meist hatte ich sie schon beim dritten Klingeln eingefangen, wieder in ihre Kiste gesteckt und mich auf den Deckel gesetzt.
    Der einzige Anruf für mich in dieser Woche war belanglos. Er kam von meinem Bruder Peter. Mir war unerfindlich, was er wollte. Zwar mochte ich ihn recht gern, aber es war nicht so, als wenn wir einander wer weiß wie geliebt hätten.
    »Warst du kürzlich bei Mum und Dad?« wollte mein Bruder wissen.
    »Vor ein paar Wochen«, sagte ich und hoffte, daß nicht als nächstes die Frage folgte: »Findest du nicht, daß es mal wieder Zeit wäre, hinzufahren?«
    »Ich mach mir Sorgen um Mammy«, sagte er.
    »Warum?« fragte ich. »Und mußt du sie unbedingt ›Mammy‹ nennen? Das klingt, als wärest du Al Jolson.«
    »Wer soll ich sein?«
    »Na, du weißt schon, der Sänger,

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