Lucy Sullivan wird heiraten
bin«, grölte Dad.
»So, so, diesmal also ist es ›Blödmann‹?« mochte Mum dann sagen. »Ich fand ›Dummkopf‹ eigentlich ganz passend, aber ’n bißchen Abwechslung kann nicht schaden.«
Der arme Dad stand inzwischen leicht schwankend und vornübergebeugt da, womit er ein bißchen einem Stier ähnelte und blickte zu Mum hin, vermutlich ohne sie zu sehen. Wahrscheinlich sah er seine Nasenspitze.
»Ich pack jetzt meine Sachen«, sagte Mum wie eine Souffleuse.
»Ich sack jetzt meine Packen«, lallte Dad und schleppte sich zur Küchentür.
Obwohl das immer wieder so ablief und er nie weiter als bis zur Haustür kam, war ich jedesmal überzeugt, daß er wirklich weg wollte und flehte ihn an: »Bitte geh nicht, Dad.«
»Ich bleib nicht unter einem Dach mit einer Spielverderberin, die nicht mal den Knusperriegel essen will, den ich ihr gekauft hab«, sagte er gewöhnlich.
»Iß ihn doch«, bat ich Mum, während ich zu verhindern versuchte, daß Dad die Küche verließ.
»Aus dem Weg, Lucy, oder ich neh für stichts... äh, ich steh für nichts mehr grade.« Darauf fiel er mit dem Gesicht voraus in den Flur.
Als nächstes hörte man die Spiegelkommode zu Boden krachen, und Mum zischte: »Wenn der Halunke mir die ruiniert hat...«
»Mum, halt ihn auf«, flehte ich verzweifelt.
»Er kommt sowieso höchstens bis zum Gartentor«, sagte sie verbittert, »es ist jammerschade.« Obwohl ich ihr das nie glaubte, behielt sie fast jedesmal recht.
Einmal schaffte er es die Straße entlang bis zum Haus der O’Hanlaoins, wobei er eine Plastiktüte mit vier Scheiben Brot und der Flasche mit dem restlichen Brandy unter den Arm geklemmt hielt: sein Proviant für die Reise heim nach Monaghan. Eine Weile blieb er vor dem Haus der O’Hanlaoins stehen und brüllte ein paar Unverschämtheiten zu ihnen hinüber. Sinngemäß ging es darum, daß sie unehrenhafte Leute seien und Seamus O’Hanlaoin Irland verlassen hatte, um sich vor dem Gefängnis zu drücken. »Verjagt hat man euch von da«, brüllte Dad.
Mum und Chris mußten ihn hinterher zurückholen. Er kam schweigend mit. Mum führte ihn an der Hand an den mißbilligenden Blicken aller Nachbarn vorbei, die mit verschränkten Armen vor ihren Häusern standen, über ihre niedrigen Gartentore zu uns hersahen und wortlos das Schauspiel genossen. An unserem Haus angekommen, drehte sich Mum um und schrie ihnen zu: »Ihr könnt jetzt wieder reingehen. Der Zirkus ist vorbei.« Ich war überrascht, als ich sah, daß sie weinte.
Tränen der Scham vermutlich. Sicher schämte sie sich, ihn so behandelt und ihm die gute Laune verdorben zu haben, indem sie den eigens für sie gekauften Knusperriegel nicht gegessen und ihm klargemacht hatte, von ihr aus könne er ruhig aus ihrem Leben verschwinden. Sich für all das zu schämen hatte sie wirklich reichlich Grund.
24
I ch erwachte und merkte, daß sich Gus über mich beugte und mich besorgt ansah.
»Lucy Sullivan?« fragte er.
»Das bin ich«, sagte ich verschlafen.
»Gott sei Dank!«
»Wofür?«
»Ich dachte schon, ich hätte dich geträumt.«
»Das ist lieb von dir.«
»Schön, daß du das so siehst«, sagte er. Es klang ein wenig jämmerlich. »Ich habe Angst, es ist alles nicht wirklich. Bei dem, was ich bis jetzt so erlebt hab, wünsch ich mir beim Aufwachen oft, ich hätte den letzten Abend geträumt. Es ist mal was anderes, daß ich diesmal hoffe, es war kein Traum.«
»Mhm.« Ich war verwirrt, nahm aber an, daß es ein Kompliment sein sollte.
»Danke, daß du mich auf deiner Liegestatt hast nächtigen lassen«, sagte er. »Du bist ein kleiner Engel.«
Beunruhigt setzte ich mich auf. Das klang wie Abschiednehmen. Wollte er etwa gehen?
Aber nein, er hatte kein Hemd an. Also konnte von sofortigem Aufbruch keine Rede sein. Ich kuschelte mich wieder ins Bett, und er legte sich neben mich. Auch wenn die Steppdecke zwischen uns lag, war das ein wunderschönes Gefühl.
»Gern geschehen«, sagte ich mit einem Lächeln.
»Lucy, ich sollte dich vielleicht fragen, wie viele Tage ich schon hier bin.«
»Nicht mal einen.«
»Ist das alles?« fragte er. Es klang enttäuscht. »Das war sehr zurückhaltend von mir. Wahrscheinlich werde ich alt. Aber noch ist es nicht zu spät. Ich hab viel Zeit.«
Mir soll’s recht sein, dachte ich. Bleib, solange du Lust hast.
»Und könnte ich jetzt von deinem Badezimmer Gebrauch machen, Lucy?«
»Über den Flur. Du kannst es nicht verfehlen.«
»Aber dazu sollte ich wohl besser meine
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