Lucy und Olivia 04 - Die Vampirverschwoerung
winkte von einer Chaiselongue in der Ecke aus herüber, wo sie sich mit Mr Grosvenor unterhielt. Ihr Vater lächelte die Mädchen mit funkelnden Augen an, bevor er sich unter seine Gäste mischte.
Olivia nahm Lucy bei der Hand und führte sie durch die Menge bis zu der Nische der Eingangshalle, in der der Flügel stand. Glücklicherweise war sie leer.
»Ich habe beim Schmücken etwas gefunden«, flüsterte Olivia Lucy zu. »Das Tagebuch unseres Vaters aus der Zeit direkt nach unserer Geburt.«
Lucys schwarz umrandete Augen musterten Olivias Gesicht. »Und?«
»Unsere Mutter ist bei unserer Geburt gestorben«, sagte Olivia. Sie konnte ihr Herz in der Brust klopfen hören.
Lucy blinzelte, als versuchte sie durch dichten Nebel zu sehen.
»Dad dachte, dass ihr Körper nicht mit dem Vampirbaby in ihr zurechtkam«, erklärte Olivia.
Lucys Knie gaben nach. Sie ließ sich auf den Klavierhocker sinken. Sie sah verwirrt aus, sagte jedoch nichts.
»Deshalb wollte er uns trennen«, fuhr Olivia fort. »Er dachte, mir würde dasselbe passieren, wenn ich mit Vampiren zusammenlebte. Er befürchtete, ich könnte mich in einen verlieben oder so. Ich nehme an,
das befürchtet er immer noch. Deshalb ist er der Meinung, dass ihr beide wegziehen sollt.«
»Aber das ergibt doch keinen Sinn.« Lucy schüttelte den Kopf. »Es ist ja nicht so, als würdest du eine Bluttransfusion bekommen. Wir wollen doch nur Schwestern sein. Wir wollen doch nur zusammen zur Schule gehen.«
»Ich weiß das«, sagte Olivia. »Wen wir davon überzeugen müssen, ist er.«
Lucy stand mit entschlossenem Blick auf. »Lass uns jetzt mit ihm reden«, sagte sie. »Bei all diesen Dingen, die aus dem Grab aufgetaucht sind, kann ich nicht so tun, als würde ich mich amüsieren.«
Olivia nickte und gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach ihrem Vater.
»Dad, kann ich mal mit dir sprechen?«, sagte Lucy. Sie und Olivia hatten ihn schließlich in der Küche gefunden, wo er sich angeregt mit Rafe, dem Sargtischler unterhielt.
»Sicher«, sagte er und lächelte, wobei er eine Geste machte, mit der er Lucy zu verstehen gab, sie könne ihm ruhig sagen, was immer sie auf dem Herzen hatte.
»Allein«, erklärte Lucy.
Ihr Vater sah verwirrt aus, aber dann entdeckte er Olivia, die neben Lucy stand, und bemerkte den Gesichtsausdruck der Mädchen. Seine Miene wurde besorgt.
»Natürlich«, sagte er schnell und stellte sein Glas auf der Arbeitsplatte ab. »Entschuldige mich bitte, Rafe.
Lasst uns nach oben ins Arbeitszimmer gehen«, schlug er den Mädchen vor.
Lucy kam es vor, als dauerte der Weg durchs Haus und die Treppe hinauf in den zweiten Stock eine Ewigkeit. Alle paar Schritte hielt jemand ihren Vater auf und wollte sich mit ihm unterhalten. Schließlich erreichten die drei das Arbeitszimmer. Ihr Vater schloss die Tür und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Jetzt ist es so weit, dachte Lucy.
»Wir wissen Bescheid«, sagte sie einfach.
Verschiedene Gefühlsregungen huschten über das Gesicht ihres Vaters: Erstaunen, dann Entsetzen, der Drang alles abstreiten zu wollen.
»Worüber wisst ihr Bescheid?«, fragte er und zuckte dann wenig überzeugend mit den Schultern.
»Wir wissen, dass du unser Vater bist«, antwortete Olivia.
»Und wir wissen auch von unserer Mutter«, schloss Lucy.
Ihr Vater starrte sie ungläubig an. »A… aber wie …«, stammelte er.
»Wir haben euer Hochzeitsfoto gefunden«, erklärte Lucy.
»Und das Tagebuch, das du geführt hast«, fügte Olivia hinzu.
Charles Vega studierte ihre Gesichter, wobei sein Blick hektisch zwischen Lucy und Olivia hin und her huschte. Lucy konnte erkennen, dass er verzweifelt versuchte, sich eine Entgegnung einfallen zu lassen.
Einen Augenblick lang ließ ein schiefes Lächeln seine Zähne aufblitzen, und sie wusste, dass er versucht war, alles zu leugnen. Aber dann verschwand das Lächeln, und alles, was übrig blieb, war ein schmerzvoller Blick.
»Ihr wisst alles?«, flüsterte er. Lucy und Olivia nickten und ihr Vater schloss die Augen. Plötzlich sog er heftig die Luft ein, als hätte er einen Schlag in die Magengrube versetzt bekommen.
»Ich habe eure Mutter so sehr geliebt.« Er hielt den Atem an und seine Stimme klang hoch und dünn. »Ich dachte erst, ich würde ohne sie nicht weiterleben können.« Er schluckte. »Das Einzige, was mich in dieser Welt hielt … wart ihr beide.« Plötzlich sackte er auf seinem Stuhl zusammen und seine Augen
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