Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
Vom Netzwerk:
Donna.
    »Nein, ich hatte gehofft, dass du es tun würdest«, sagte Donna.
    Lucy stieß einen durchdringenden Schrei aus, dann eine Art Bellen, und nun herrschte absolute Stille unter den Bonobos.
    »Heiliger Strohsack«, rief Donna. »Das würde ich auch gern können. Kommt, ich bringe euch zum hinteren Zaun.«
    Sie folgten Donna eine Betontreppe hinauf und durch eine Stahltür, die in den Wald hinausführte, wo die Blätter eben begannen, sich herbstlich zu färben. Von dort konnten sie an das hinterste Ende des Bonobo-Geheges herantreten, das von einem hohen Maschendrahtzaun umschlossen war. Die Bonobos kamen herbeigerannt, versammelten sich vor dem Zaun und murmelten jetzt viel leiser, weil Lucy ihnen so nahe war. Einige steckten schon die Finger durch den Zaun, um nach ihr zu greifen. Lucy ging auf sie zu.
    »Sei vorsichtig«, mahnte Donna. »Sie können gefährlich sein.«
    »Sie wollen mir nichts tun«, erwiderte Lucy.
    »Sie merkt es, wenn einer ihr gefährlich wird«, warf Jenny ein.
    »Aber sie sind sehr schnell«, sagte Donna.
    »Lucy auch«, sagte Amanda.
    Langsam näherte sich Lucy dem Zaun, wo sich viele Finger durch den groben Maschendraht streckten. Dann ging sie den Zaun entlang und strich sanft über all die dargebotenen Handflächen |285| und Finger, während die Bonobos in einem Gemurmel aus leisem Kreischen und hohen Pfeiftönen mit ihr redeten. Lucy antwortete mit ebenso leisen Geräuschen, die fast wie ein Singsang klangen. Jenny, Donna und Amanda kamen aus dem Staunen gar nicht heraus.
    »Nicht mal ich traue mich das«, flüsterte Donna Jenny zu. »Sie würden mir die Finger abreißen. Ich trage extra keine Schnürsenkel, damit sie nicht daran reißen und mich von den Beinen holen. Das ist einfach unglaublich.«
    Ungefähr eine halbe Stunde lang lief Lucy hin und her, berührte Hände und redete murmelnd mit ihnen. Schließlich wandte sie sich von dem Zaun ab. »Jetzt sollten wir gehen«, sagte sie. »Sie verstehen nicht, warum ich nicht zu ihnen hineinkommen kann. Ich werde mich jetzt verabschieden.« Lucy drehte sich noch einmal zu den Bonobos um und begann auf eine schmerzliche Weise laut und traurig zu kreischen. Auch die Bonobos begannen klagend zu kreischen und stimmten einen Chor an, in den alle einfielen, bis das Gekreisch schließlich so laut wurde, dass Amanda und Jenny sich die Ohren zuhalten mussten. Dann plötzlich war alles vorbei; sie zerstreuten sich wieder und kehrten in das Gebäude zurück.
    Donna begleitete die drei Besucherinnen zurück über die Holzbrücke und zum Haupteingang. Sie standen im fahlen Sonnenschein und hörten in der Ferne die Elefanten trompeten und die Löwen brüllen. Amanda legte Lucy eine Hand auf die Schulter.
    Lucy wandte sich an Donna. »Vielen Dank für alles. Ich hatte schon so lange keine Bonobos mehr gesehen.«
    Donna nickte. »Was wirst du denn tun, jetzt, da du so im Licht der Öffentlichkeit stehst?«
    »Ich weiß noch nicht. Eigentlich wollte ich in Chicago aufs College gehen, aber sie wollen mich nicht mehr aufnehmen.«
    |286| »Das ist ja schrecklich. Wirst du denn ein anderes College finden?«
    »Es wird uns schon gelingen«, sagte Jenny. »Mach dir keine Sorgen, Schatz. Wir finden einen Studienplatz für dich.«
    Donna dachte einen Augenblick nach. »Kannst du dich immer noch durch die Bäume bewegen, Lucy? Bist du schnell?«
    »Oh, ja. Das ist ganz einfach. Und macht Spaß.«
    »Das hat sie uns gestern Abend erst bewiesen«, sagte Amanda.
    »Während des Gewitters?«, fragte Donna.
    »Ja, irgendwie ist es leider mit mir durchgegangen.«
    »Das ist doch ganz natürlich«, meinte Donna. »Unsere Freunde hier sind gestern Abend auch ziemlich wild geworden.« Dann wechselte sie das Thema. »Lucy, Jenny und ich haben darüber gesprochen, was man tun könnte, falls du mal einen Ort brauchst, an dem du sicher bist.«
    Lucy zuckte die Achseln. »Ja? Wieso denn?«
    »Sie werden hinter dir her sein. Daran zweifle ich nicht mehr. Schlechte Menschen, die dich töten oder Experimente mit dir machen wollen. Irgendwann wird es so weit sein, und dann brauchst du einen Notfallplan. Es war Jennys Idee, sich an mich zu wenden. Deshalb bist du hier. Weil ich helfen kann.«
    »Okay«, sagte Lucy und sah Jenny an. »Mom?«, fragte sie, plötzlich unsicher.
    »Schon gut, Schatz. Du kannst Donna vertrauen. Hör dir den Plan an.«
    »Also«, begann Donna. »Wenn es so weit ist, musst du zu allererst rauf in die Bäume. So wie du es gestern Abend gemacht hast.

Weitere Kostenlose Bücher