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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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ihr eine Ausgabe von Kurt Vonneguts
Katzenwiege
, und sie verschlang es in einem einzigen Rutsch und fühlte sich danach, als wären ihr die Augen geöffnet worden. Pattie Walinsky war ihre beste Freundin. Sie sah ziemlich bieder aus und die Jungs machten sich über sie lustig, aber Jenny mochte sie, weil sie so klug war. Ihr Vater arbeitete in der Sternwarte, und eines Nachts im Sommer nahm sie Jenny mit dorthin, und Jenny sah Welten werden und vergehen. Pattie war Dozentin in Stanford geworden. Jenny fragte sich, ob Lucy wohl je die Chance bekommen würde, etwas mit ihrer großen Intelligenz anzufangen.
    Als Jenny ein Geräusch hörte, drehte sie sich um. Sie hatte die Sonne in den Augen und sah im grellen Gegenlicht ein schönes Mädchen in einem gelben Bikini. Ihr Herz machte einen Satz. Dann fiel Amandas Schatten auf ihr Gesicht, und sie erkannte, dass es nicht Lucy war.
    »Du trägst ja Lucys Bikini.«
    »Ja. Er riecht so gut nach ihr.« Amanda lächelte Jenny verlegen an und zuckte die Achseln. »Ich weiß. Nenn mich seltsam. Scheinbar vermisse ich sie einfach so sehr.«
    »Anscheinend«, korrigierte Jenny.
    Amanda lachte. »Jetzt klingst du wie Lucy.«
    Amanda legte sich in die Sonne und verschickte SMS.   Tage verbrachten sie so, im Garten liegend oder im Haus umherwandernd, wenn das Wetter zu kühl war. Sie fuhren gemeinsam Lebensmittel einkaufen, und Jenny verwendete viel Zeit |314| darauf, raffinierte Menüs zu kochen, die sie kaum anrührten. Sie sahen sich ein paar Filme auf DVD an, und Amanda versuchte, Jenny das Schachspielen beizubringen, doch Jenny gab ständig ihre Königin preis. Lucys Fehlen war wie ein Todesfall in der Familie. Jeden Tag checkte Jenny mehr als einmal Craigslist und suchte nach der Anzeige mit dem vereinbarten Code, die Donna eigentlich schon längst hätte platziert haben müssen.
    Eines Tages rief Amanda Jenny in ihr Zimmer   – Lucys Zimmer   – und zeigte ihr ein Video auf YouTube, in dem ein Prediger namens Gerald Pinkus aus Plano, Texas, sagte: »In der Bibel wird eines der apokalyptischsten Ereignisse der Weltgeschichte vorhergesagt, und dieses Unheil wird schon bald über uns kommen. Ein Krieg wird ausbrechen, und zwei Milliarden Menschen werden darin umkommen. Nun, was bringt mich dazu, so etwas zu prophezeien? Es ist das Erscheinen der Saat des Bösen, die in diesem Moment auf unserer Erde wandelt in Gestalt einer Kreuzung aus Mensch und Affe, und ich meine jene, die wir mittlerweile alle im Fernsehen und im Internet gesehen haben und die sich Lucy Lowe nennt.«
    »Mach’s aus, Amanda.«
    »Später sagt er noch, dass die Menschheit nur gerettet werden kann, wenn man Lucy opfert.«
    »Ich weiß, Liebes. Wir wissen doch, dass es da draußen jede Menge Verrückte gibt.«
    »Aber das ist derselbe Prediger, der letzte Woche ins Weiße Haus eingeladen war. Die
Washington Post
hat darüber geschrieben, so in etwa: Wie kommt der Präsident dazu, diesen durchgeknallten Kerl ins Weiße Haus einzuladen? Es sind längst nicht mehr nur die üblichen Verrückten, Jenny   – auch Leute in der Regierung glauben solches Zeug.«
    »Ich weiß. Aber ich weiß nicht, was man dagegen tun soll.« |315| »Lucy müsste doch mittlerweile in Milwaukee angekommen sein und sich irgendwo verstecken.«
    »Ich weiß.«
    »Ich finde, wir sollten mit Donna reden.«
    »Sie sagte, damit könnten wir ungewollt jemanden auf Lucys Spur bringen.«
    »Aber sie hätte sich schon längst bei uns melden müssen, meinst du nicht?«
    »Vielleicht.«
    »Wir sollten hinfahren, über Landstraßen. Dann können wir sehen, ob uns einer folgt.«
    »Ja, ich werde hier noch verrückt«, gab Jenny zu. Die Vorstellung, aus dem Haus zu kommen, war verlockend. »Wir könnten auch den Senator anrufen.«
    »Vertraust du ihm?«
    Darüber musste Jenny erst nachdenken. Senator Cochrain hatte öffentlich Lucys Partei ergriffen und sie verteidigt. Aber vielleicht hatte er auch nur Publicity gewollt. Jenny hatte den Verdacht, dass jeder, der in der amerikanischen Politik so hoch aufgestiegen war, bereits mit dem Teufel paktiert haben musste. Niemand würde je seine wahren Motive durchschauen. »Nein, ich glaube nicht.«
    »Jedenfalls können wir uns nicht einfach nur hier im Haus verstecken wie Kriminelle.«
    Sie packten ein paar Sachen zusammen und fuhren früh am nächsten Morgen durch die weite Ödnis der Einkaufszentren im Nordwesten von Chicago. Dann nahmen sie die Bundesstraße bis nach Rockford und fuhren auf

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