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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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in dem Glauben, du wärst ein hilfloses Kind.
    Lucy sank in sich zusammen und bedeckte weinend das Gesicht mit den Händen.
    »Tut mir leid, das war wirklich der einzige Weg. Gewisse höhere Mächte wollen dich tot sehen, weil sie diesen völlig irrationalen religiösen Überzeugungen anhängen. Aber mit der christlichen Rechten kann man nicht diskutieren. Sie hassen |331| die Wissenschaft und ihre Grundlagen. Ich dagegen bin ein Anhänger des Wissens und entschlossen, dich zu schützen, solange es mir möglich ist. Erkennst du die wissenschaftlichen Möglichkeiten, die sich hier bieten, denn nicht? Zusammen können wir den Traum deines Vater erfüllen.«
    »Ich will den Traum meines Vaters nicht erfüllen!«, schrie Lucy unter Tränen. »Ich will nur nach Hause.«
    »Ja, natürlich, das verstehe ich. Aber das ist leider unmöglich.«
    Lucy weinte noch eine Weile, während Eisner weitersprach. »Schon bald werden wir eine Vertrauensbasis aufgebaut haben. Das habe ich hier in all den Jahren nur selten tun können.
Pan troglodytes
und die wenigen Exemplare des
Pan paniscus
, die wir hier hatten, sind zwar sehr intelligent, aber auch sehr gefährlich, vor allem wenn sie ein paar der nötigen Prozeduren hinter sich haben. Man kann ihnen die Dinge nicht erklären und sie mit vernünftigen Argumenten zur Zusammenarbeit bewegen. Mit dir wird mir das, glaube ich, endlich gelingen.«
    Lucys Tränen versiegten, als ihr plötzlich etwas aufging: Papa hat gesagt, es ist falsch, zu töten. Doch diesen Mann hier muss ich wahrscheinlich töten. Und ich werde ihn auch töten können, wenn ich dazu gezwungen bin. Papa hatte sich geirrt.
    »Was werden Sie mit mir machen?«, fragte sie.
    »Wir werden mit ein paar Standardtests beginnen. Heute Nachmittag machen wir erst einmal eine Kraniotomie. Du bekommst eine lokale Betäubung. Das Gehirn selbst hat keine Schmerzrezeptoren, du wirst also nichts spüren. Ich werde es dir im Laufe der Operation noch genau erklären, du wirst ja die meiste Zeit wach sein. Ich pflanze dir elektronische Sensoren ins Gehirn ein. Du wirst sie gar nicht bemerken. Die Drähte sind extrem fein, das Gewebe wird nicht verletzt. Und |332| die Operationsschnitte sind nach ein paar Tagen auch wieder verheilt. Dann werden wir winzige elektrische Impulse durch die Drähte senden und so eine vollständige Kartierung deines Gehirns machen. Wirklich eine einzigartige Gelegenheit.«
    Lucy bebte vor Angst. Ihr ganzer Körper vibrierte. Sie konnte sich nicht länger beherrschen. Ihr drehte sich der Magen um, während er sprach, und dann schoss plötzlich das Wasser, das sie getrunken hatte, in hohem Bogen aus ihrem Mund. Unwillkürlich krümmte sie sich und wurde noch einige weitere Male von Brechreiz geschüttelt, ehe sie wieder Atem holen konnte. Ihre Augen schwammen von Tränen.
    »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich kann dir versichern, dass diese Operation völlig gefahrlos ist. Ich habe sie schon oft durchgeführt, und sie hat keinerlei bleibende Schäden zur Folge.«
    Lucy versuchte zu sprechen, mit ihm zu diskutieren, doch sie brachte nur ein heiseres Krächzen heraus. »Nicht. Bitte nicht.«
    »Es ist wirklich alles ganz unproblematisch. Wir werden dir ein Beruhigungsmittel geben, damit du dich entspannst. Ich mache diese Operation seit Jahrzehnten und bin der führende Experte auf dem Gebiet. Es besteht keine Gefahr, glaub mir. Ich weiß, das ist alles schwierig für dich. Aber es ist für die Wissenschaft. Zum Wohle der Menschheit.« Und als er sich umdrehte, um zu gehen, fügte er noch hinzu: »Meine Mitarbeiter kommen bald und bereiten dich vor.«
    »Nicht. Schneiden Sie mich bitte nicht auf.« Lucy klammerte sich an die Gitterstäbe, als sie ihn gehen sah. Jetzt hatte sie sich nicht mehr unter Kontrolle. Sie warf sich gegen den Käfig. »Tun Sie das nicht! Bitte, tun Sie das nicht!«
    Doch er verschwand durch die Tür, und Lucy hörte sie mit einem metallischen Schlag hinter ihm zufallen. Dann breitete |333| sich wieder Stille aus. Eine Zeit lang weinte sie hemmungslos. Sie wusste nicht wie lange, aber ihre Kehle war schon ganz wund vom Schreien. Schließlich zog sie sich durch einen Akt reiner Willenskraft aus dem Abgrund, setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie. Beruhig dich, sagte sie sich. Beruhig dich und zeig ihnen deine Stärke nicht.
    Sie sprang auf und ging, eingewickelt in die Decke, im Käfig auf und ab. Ihre Gedanken rasten. Panik begann in ihr aufzusteigen. Sie lief auf

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