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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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Oklahoma, und Lukes Vater, Edward Randall, gründete dann ein kleines Kaufhaus in Tulsa. |384| Sie waren beide schon recht erfolgreich. Dann kam Luke eines Tages nach New Mexico, und es gefiel ihm. Außerdem sah er hier Möglichkeiten, es gab ja noch nicht allzu viele Geschäfte. Also hat er in Albuquerque eins aufgemacht.«
    »Und wie wurde dann so ein großes Unternehmen daraus?«, fragte Jenny.
    Ruth spitzte die Lippen, und die Fältchen um ihren Mund wurden deutlicher. Sie sah Jenny an, neigte den Kopf mit einem etwas traurigen Lächeln und begann dann zu erzählen. »Nun, Luke hatte schon immer Interesse daran, das Geschäft zu perfektionieren. Er war ehrgeizig und erkannte bald, dass er mit den Produzenten seiner Waren günstigere Konditionen aushandeln musste. Die Ersparnisse gab er dann in Form von billigeren Preisen an die Kunden weiter und konnte so seinen Umsatz erhöhen. Die Zufriedenheit der Kunden war ihm stets das Wichtigste. Und so wurde sein Geschäft, Randall’s, ein großer Erfolg.«
    »Es hieß Randall’s?«, fragte Amanda.
    »Ja, Randall’s, im Zentrum von Albuquerque. Und wir lebten gut davon. Wir hatten uns gerade niedergelassen, wollten eine Familie gründen und am Leben in der Stadt teilnehmen. Damals hatten wir keine großen Ambitionen.«
    Schweigen breitete sich aus, als Ruth vom Highway in eine holprige enge Straße abbog, die in eine felsige Landschaft hineinführte.
    »Aber es kam anders, nicht?«, sagte Amanda.
    »Nun«, fuhr Ruth mit einem Seufzer fort. »1958 wurde unser Sohn Denton geboren. Dem wir den Namen von Lukes Großvater gaben. Denton war der Sonnenschein unseres Lebens, wissen Sie. Luke war immer ein pragmatischer, hart arbeitender Mann gewesen, aber Denton brachte seine ganze Lebensfreude zum Vorschein. Bis dahin hatte ich Luke |385| nie wirklich spielen sehen. Nun, das Geschäft lief jedenfalls prächtig, und wir waren glücklich. Denton war erst vor kurzem in den Kindergarten gekommen. Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Luke hatte sich frei genommen, weil er mit ihm Reiten gehen wollte. Denton lernte es gerade auf einem sanften alten Pony namens Leo. Als sie nach Hause kamen, habe ich Abendessen gemacht, Dentons Leibspeise, Hackbraten mit Stampfkartoffeln und grünen Bohnen. Aber Denton konnte nichts essen. Er stand vom Tisch auf und legte sich aufs Sofa. Nach dem Abendessen habe ich Fieber gemessen bei ihm und dachte, es wäre nur eine Grippe. Im Kindergarten haben die Kinder ja dauernd etwas, immer steckt eins das andere an. Aber als ich nach einer Stunde noch einmal maß, hatte er 40,9   Grad, und ich erschrak fürchterlich. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Als Luke und ich mit ihm im Krankenhaus ankamen, hatte er schon Krämpfe.«
    Amanda und Jenny tauschten einen Blick, als Ruth sprach.
    »Oh nein«, murmelte Jenny vor sich hin.
    »Nach anderthalb Tagen war er tot.«
    »Was?«, stieß Amanda mit heiserer Stimme hervor. »Was hatte er denn?«
    »Streptokokken«, sagte Ruth. Und mit einem wilden Lachen wiederholte sie es. »Streptokokken! Aber wer denkt denn an so etwas? Ich meine, man hat einen rauen Hals, man nimmt eine Tablette, und dann geht es einem wieder besser. Sollte es so nicht sein? Aber diese Bazillenart hat die inneren Organe angegriffen, und keiner wusste, warum. Noch ehe die Ärzte etwas tun konnten, war es schon zu spät.«
    Jenny drehte sich zu Amanda um, legte ihr die Hand aufs Knie, und ihre Blicke trafen sich.
    »Tut mir leid«, sagte Ruth dann. »Was ist nur in mich gefahren? Ich sollte Ihnen das alles gar nicht erzählen.«
    |386| »Doch«, erwiderte Amanda. »Es ist schrecklich. Aber ich will es wissen. Ich will es wissen.«
    Ruth holte einmal tief Luft und sah zu Jenny hinüber, die nickte. »Denton war tot, und er war unser ein und alles gewesen. Luke wurde fast verrückt vor Trauer und stürzte sich in die Arbeit. Ich versuchte, für ihn da zu sein, aber die Arbeit war das Einzige, was ihn ablenkte. Und ich war ja auch selbst völlig am Ende. Luke wurde zu einem Mann, der von jeder noch so kleinen Kleinigkeit seiner Arbeit besessen ist, bis hin zur Sorte Büroklammern, die sie benutzen. Er feilschte mit den Produzenten und kompensierte auf diese Weise seine Gefühle, und das führte schließlich dazu, dass er die niedrigsten Preise anbieten und die Läden aller anderen aufkaufen konnte. Er kam nie zur Ruhe. Er rannte vor Dentons Geist davon, eröffnete Geschäft um Geschäft, und rannte schneller und schneller. Wir

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