Lucy
änderten den Namen von Randall’s in Denton’s, und 1966 hatten wir schon fünfzehn Filialen. Er brachte das Unternehmen an die Börse und machte immer weiter. Es wurde ein Imperium der Trauer. Eltern erholen sich nie mehr von einem Schlag wie diesem. Es gibt nichts Schlimmeres. Nichts. Und ich weiß, dass Luke, wenn er irgendetwas tun kann, niemals zulassen wird, dass Lucy etwas passiert. Luke würde bis ans Ende der Welt gehen, um ein Kind zu retten. Dafür haben wir die Stiftung gegründet. Wenn Lucy ihn braucht, wird er all sein Geld und seine Macht einsetzen, um sie zu beschützen.«
Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Schließlich kamen sie an ein schmiedeeisernes Tor in einer hohen Steinmauer. Das Tor schwang auf, und sie fuhren noch einmal zehn Minuten auf einer staubigen roten Straße. Das Haupthaus sah aus wie ein alter Western-Saloon, umgeben von einer Holzveranda und mit hohen Schornsteinen aus Backstein. Daneben lagen |387| mehrere kleine Häuser aus naturbelassenen Rotholzbalken und ein Swimmingpool. Ruth parkte den Wagen vor einem der kleinen Häuser. »Ich bringe Sie erst mal unter«, sagte sie, »und dann schwimme ich eine Runde und mache ein Nickerchen.«
Das Haus, in das Ruth sie führte, war mit Naturholz getäfelt und hatte einen roten Fliesenboden, auf dem Teppiche aus Tierfellen lagen. Große Fenster und Glastüren gaben den Blick auf die Felsen und Täler ringsum frei. Ruth zeigte ihnen alles, und dann sagte sie: »Ich bin oben im Haupthaus, falls Sie etwas brauchen. Getränke sind im Kühlschrank, und wenn Sie etwas essen wollen, kommen Sie einfach rauf zu mir.«
»Ja, sehr gern, vielen Dank«, sagte Amanda.
»Das ist wirklich großzügig von Ihnen«, fügte Jenny hinzu.
»Oh, nicht der Rede wert.« Ruth lächelte. Ihre blauen Augen ruhten einen Augenblick auf den beiden, dann drehte sie sich um und ging, aufrecht wie eine Königin, mit ihren auf dem Fliesenboden quietschenden Tennisschuhen zur Tür hinaus. Jenny sah ihr nach und hörte ihre raschen Schritte noch draußen im Kies der Auffahrt knirschen. Einen Moment lang dachte sie über die Stärke dieser Frau nach, die in der Lage gewesen war, ein so schreckliches Erlebnis auszuhalten und es ins Nützliche zu wenden. Jenny fragte sich, ob sie diese Stärke auch besäße.
»Mir fallen fast die Augen zu, Liebes. Ich muss mich eine Weile hinlegen.«
»Ich auch«, erwiderte Amanda. »Und mach dir keine Sorgen. Das bringt gar nichts. Reine Energieverschwendung.«
»Das sagst du so leicht.«
Amanda ergriff Jennys Hand und sah ihr in die Augen. »Ich bin bei einer alkoholkranken Mutter aufgewachsen«, sagte |388| sie dann. »Ich weiß, was es heißt, sich Sorgen zu machen um jemanden, den man liebt und auf den man angewiesen ist. Sich solche Sorgen zu machen, dass man im Schlaf mit den Zähnen knirscht. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, die Sorge loszulassen. Und da war ich noch ein Kind. Wenn ich es lernen konnte, kannst du es auch.« Amanda lächelte Jenny an. »Welches Schlafzimmer möchtest du?«
Jenny lachte. »Ganz egal. Such du dir eins aus.« Als Amanda auf eins der Zimmer zuging, sah Jenny ihr nach. Was für ein wunderbares Geschöpf sie ist, dachte sie. Wie ist sie nur so jung schon so weise geworden? Die Antwort kannte sie: Amanda war den Widrigkeiten des Lebens ausgesetzt gewesen und war davon stärker geworden.
Jenny kickte ihre Schuhe von den Füßen und ließ sich auf die Tagesdecke des Bettes fallen. Trotz allem, was Amanda gesagt hatte, durchfuhr sie jedes Mal, wenn sie sich Lucys Situation vorstellte, ein stechender Schmerz. Mit Bildern des Schreckens vor Augen schlief sie ein.
Jenny fiel mitten in einen Traum. Sie war wieder im Kongo in ihrer kleinen Hütte und beobachtete, wie eine Familie Bonobos auf der Lichtung spielte. Einer von ihnen war Lucy, nur dass sie zwei Jahre alt war. Sie raufte fröhlich mit den anderen kleinen Bonobos und stieß juchzende Schreie aus. Seltsamerweise stand neben Lucy ein Telefon, und es klingelte. Es klingelte und klingelte, bis Lucy schließlich abhob und sagte: »Hallo?« Mit glockenheller Stimme.
Da fuhr Jenny vom Bett auf und sah durch die offene Tür Amanda mit dem Telefon in der Hand dastehen und rufen: »Oh, mein Gott! Oh, mein Gott!« Dann schrie sie: »Ooh-mein-Gott! Ooh-mein-Gott!« Sie kam in Jennys Zimmer gerannt, mit aufgerissenen Augen und glückseliger Miene. |389| »Luke hat sie! Luke hat sie! Ruth hat angerufen. Sie kommen jetzt hierher.«
»Oh, Gott sei
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