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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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Sippe, meinen Sie?«
    »Ich glaube, so kann man das sehen, ja. Ja, das gefällt mir: Gewinne Status in deiner Sippe. Da könnte man glatt einen Slogan draus machen.«
    »Ich frag mal meine Mutter«, erwiderte Lucy, weil sie es nicht einfach allein entscheiden wollte.
    |131| Anfangs war Jenny dagegen. Sie wollte nicht, dass Lucy noch mehr Aufmerksamkeit erregte. Doch dann kam ihr eine Idee, wie sie diese Situation zu ihrem Vorteil nutzen könnte. Sie traf sich mit dem Trainer, der Tom Barneke hieß und von den Schülern Barnacle   – Klette   – genannt wurde. Jenny sagte ihm, dass sie Lucy nur dann erlauben würde, ins Ringkampfteam einzutreten, wenn er die Schulpsychologin Dr.   Mayer dazu bringen könnte, Lucy in Ruhe zu lassen.
    »Sie wollen die Schreckschraube loswerden? Kein Problem. Darum kümmere ich mich mit Vergnügen. Die belästigt auch dauernd meine Jungs. Fragt sie ständig, ob sie nicht vielleicht schwul sind, weil sie so gern mit anderen Jungs auf Tuchfühlung gehen. Jeder, der zum Psychologen rennt, sollte sich mal auf seine geistigen Fähigkeiten testen lassen. Meine Meinung.«
    Schon am nächsten Tag nahm Lucy nach dem Schulunterricht probeweise am Training der Ringkämpfer teil. Der Übungsraum lag hinter der Turnhalle am Ende eines dunklen Flurs. Als sie ihn betrat, zuckte sie erschrocken zurück: Der ganze Raum war blutrot. Der Boden federte unter ihren Schritten. Dann erkannte sie, dass es eine Art rote Polsterung war   – alle Wände waren damit verkleidet und sogar die Tür, durch die sie eben gekommen war. Es war sehr warm und stickig, fast wie im Dschungel. Auf den Matten rangen paarweise Jungen miteinander. Der Trainer rief: »Dreißig Sekunden!« Jedes der Paare am Boden wirkte wie ein einziger vielfach verschlungener, mit sich selbst ringender Muskel, starr vor Anstrengung und dampfend von Schweiß.
    »O’Brien, angreifen und runter auf den Boden. Hört auf, herumzutanzen, ihr beiden. Angreifen! Zehn Sekunden! Drücken! Drücken!«
    Die schwitzenden Jungen bebten vor Anspannung, und hier |132| und da zuckte einer, als würde ihn plötzlich ein Schmerz durchfahren. Dann blies Trainer Barnacle in seine Pfeife und ein schriller Pfiff ertönte. Augenblicklich sanken die Kämpfer in sich zusammen, als wären nun auch ihre letzten Kraftreserven in der Hitze dahingeschmolzen. Doch schon einen Moment später erhoben sich die Jungen wundersamerweise wieder aus der trägen Masse, wie Geschöpfe, die zu Anbeginn der Zeiten neugeboren einem blutroten Sumpf entstiegen. Freudige Erregung erfasste Lucy bei dem Gedanken, dass sie mit einem dieser wunderbaren Lebewesen auch bald einen solchen Tanz vollführen würde.
    Zu ihrer Überraschung war ihr erster Gegner jener Junge, den sie vor ein paar Tagen durch die Turnhalle geworfen hatte. Als sie beide auf einer der Matten in Kampfstellung gegangen waren, grinste er Lucy frech an. »Dann lass mal sehen, was du drauf hast, Tinker Bell«, sagte er. Lucy lächelte über die Bemerkung und versetzte ihm einen Stoß. Der Junge knallte mit einem solchen Rums auf den Rücken, dass der ganze Übungsraum zu beben schien.
    »Oh, tut mir leid, tut mir wirklich leid.« Lucy reichte ihm eine Hand, um ihm aufzuhelfen. »Das sollte nur ein leichter Schubs sein.«
    Der Junge stieß wütend ihre Hand weg und rappelte sich allein wieder auf. Er versuchte, Lucy an den Oberarmen zu packen, doch sie wich ihm geschickt aus. Seine Wut steigerte sich mit jedem Augenblick. Als der Junge auch bei seinen nächsten Angriffen wieder nur ins Leere griff, verlor er schließlich das Gleichgewicht, stolperte über die eigenen Füße und landete mit der Nase voran auf der Matte. Außer sich vor Wut und mit knallrotem Gesicht sprang er wieder auf. Doch er startete keinen weiteren Angriff mehr, sondern riss sich den Kopfschutz herunter, warf ihn zu Boden und stampfte hinaus.
    |133| Lucy staunte, dass es so leicht war. Eben erst waren ihr all die Jungen noch so stark erschienen. Trainer Barnacle pfiff. »Ihr wart im Aus!«, rief er und kam mit ernster Miene auf sie zu.
    »Tut mir leid«, sagte Lucy rasch, »das war mein erster Versuch. Habe ich etwas falsch gemacht?«
    Der Trainer lachte. »Na, wir müssen dir wohl erst mal ein paar Regeln beibringen.«
    »Ja, ich glaube auch. Wohin soll ich meinen Gegner denn werfen?«
    Diese Frage löste schallendes Gelächter aus unter den anderen Ringern und den vereinzelten Zuschauern, die sich auf der kleinen Tribüne eingefunden

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